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Hannover (epd). Der Rabbiner Gabor Lengyel aus Hannover übt Kritik an der Gestaltung von Feiern zu Gedenktagen für die Opfer des Holocaust in Deutschland. «Meine gutwilligen Freunde aus der Politik oder der Kirche überlassen es dort den Juden, die Hauptakteure zu sein bei diesen nichtjüdischen Gedenkveranstaltungen», sagte Lengyel dem Evangelischen Pressedienst (epd). «Das ist bewegend und eine große Ehre. Aber was bewegen solche Veranstaltungen wirklich? Ist die Öffentlichkeit wirklich angerührt?»

 

 

 

Aus seiner Sicht sollten Gedenktage wie der 27. Januar oder der 9. November «von unseren nichtjüdischen Freunden alleine von A bis Z organisiert werden», sagte der Rabbiner, der eine liberale Richtung innerhalb des Judentums vertritt. «Wir als Juden sollte Gäste dort sein, aber nicht die Hauptrolle übernehmen, Reden zu halten oder ein Gebet zu sagen.» Dies täten Juden sowieso während des ganzen Jahres. «An diesen beiden Tagen möchte ich gerne, dass nur unsere nichtjüdischen Partner das machen und Tränen verlieren.»

 

 

 

An Gedenktagen müsse sich die deutsche Gesellschaft selbst kritisch mit ihren eigenen Traditionen auseinandersetzen, betonte Lengyel. Deshalb müssten Historiker, Politiker und Bischöfe am Redepult stehen, um auf Fremdenhass, Rassismus und Antisemitismus hinzuweisen. «Sie sollten die Erinnerung verbinden mit den heutigen Aufgaben. Ich appelliere an meine nichtjüdischen Freunde, diese schwierige Aufgabe selbst zu übernehmen.» Juden könnten nicht die Rolle übernehmen, die eigentlich den Nachkommen der Täter zukomme.

 

 

 

Erinnerungen seien sehr wichtig, sagte der Rabbiner. «Aber genauso wichtig sind die Lehren daraus.» Dabei gehe nicht darum, jemandem die Schuld an den Ereignissen von damals zuzuweisen. «Die Nachkommen der Täterinnen und Täter in dritter oder vierter Generation tragen überhaupt keine Schuld», unterstrich Lengyel. «Sie tragen nur Verantwortung für heute. Dafür wie sie sich im Alltag verhalten. Am Arbeitsplatz, in der Schule oder in der Kneipe. Da haben wir eine ganze Menge zu tun, nicht nur in Deutschland.»

 

 

 

Gabor Lengyel wurde 1941 in Budapest geboren. Er überlebte den Holocaust als Kind mit Teilen seiner Familie in einem Versteck im dortigen Ghetto. Seine Mutter starb während eines Transports ins Konzentrationslager Dachau. Seit 2009 arbeitet Lengyel als Rabbiner der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hannover.