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Geschrumpft auf die Größe einer Assel: So tauchen Besucher in die Welt der Bodenorganismen ein. Ein Trick, der nicht nur gruselige Begegnungen ermöglicht, sondern auch deutlich macht, wie wichtig und wie begrenzt die Ressource Boden ist.

 

Oldenburg (epd). Gleich zu Beginn wird es gruselig: Eine gewaltige Raubmilbe ergreift mit ihren Kiefernscheren blitzschnell einen Springschwanz. Doch keine Angst - die spektakuläre Szene spielt sich nicht wirklich ab, sondern gehört zum Eingangsbereich einer interaktiven Ausstellung im Oldenburger Landesmuseum Natur und Mensch. Unter dem Titel «Die dünne Haut der Erde» ist dort ab Samstag (1. August) eine Sonderausstellung zur überragenden Bedeutung der Böden für das Leben zu sehen.

 

Raubmilbe und Springschwanz zählen zu den Bodenbewohnern, die in der Schau als Modell in 500-facher Vergrößerung dargestellt werden, um den Besuchern emotionale Einblicke in eine sonst verborgene Welt zu geben. Denn kaum jemand macht sich Gedanken über den Lebensraum, auf dem wir tagtäglich herumstiefeln. «Wir wollen zeigen, was keiner kennt und auf diese Weise für diesen Lebensraum sensibilisieren», sagt der Zoologe und Bodenkundler Professor Willi Xylander über die Schau, die nun bis zum 17. Januar in Oldenburg zu sehen ist.

 

Xylander ist Direktor am Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz und hat dort zusammen mit seiner Ehefrau Helga Zumkowski-Xylander die Wanderausstellung entwickelt. Auslöser war eine Initiative der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die 2015 zum «Jahr des Bodens» erklärt hatte. Seither haben rund 270.000 Besucher die Schau mit 99 Schautafeln, dreidimensionalen Modellen, Mitmachstationen und Filmen gesehen - zuerst in Brüssel, dann auch in Chemnitz, Görlitz, Frankfurt, Bonn, Dessau, Osnabrück, Dresden und Graz.

 

Vier Kammern laden Kinder, Jugendliche und Erwachsene ein, den Mikrokosmos jenseits der üblichen Sehgewohnheiten zu erkunden, unter anderem über eine Virtual-Reality-Animation. Eine digitale Brille schrumpft Besucher scheinbar um das 200-fache auf die Größe einer Assel. So begegnen sie zahlreichen Bodentieren wie Milben, Springschwänzen und Tausendfüßern auf Augenhöhe. Durch die Animation wirken sie wie riesige Ungeheuer. «Ein Höhepunkt der Ausstellung», schwärmt Xylander.

 

Besucher lernen, dass auf einem Quadratmeter Boden mehr Organismen als Menschen auf der Welt leben. Doch die Haut der Erde ist verletzlich, warnt Xylander. «Böden sind vielfach gefährdet. Mal ist es Erosion, mal Pestizideinsatz, im Siedlungsraum die Versiegelung durch Gebäude und Straßen, auf intensiv genutzten Agrarflächen auch die Verdichtung durch Fahrzeuge oder übermäßiger Nährstoffaustrag.» Und obwohl die Ressource Boden nur begrenzt verfügbar sei, «gehen wir damit um, als ob wir davon unendlich viel hätten».

 

Auf einer Galerie zeigt das Museum ergänzend die Bedeutung der nordwestdeutschen Böden als Archiv für die Geschichte der Region. «Beim Thema Boden treffen Archäologie und Naturkunde zusammen, denn Böden sind Zeitzeugen der Geschichte», erläutert die Oldenburger Museumsdirektorin Ursula Warnke. Insbesondere das Moor sei eine Fundgrube für Archäologen. So gehören 2.000 Jahre alte Teile eines Bohlenwegs aus dem Aschener Moor bei Lohne zur Präsentation auf der Galerie.

 

In Zeiten des Klimawandels sind Böden auch als Speicher für Kohlenstoff von großer Bedeutung. «Böden sind damit wichtige Stellschrauben im Klimasystem», bekräftigt Warnke. Noch ein Grund mehr, sorgfältiger mit den Böden umzugehen, meint ihr Görlitzer Kollege Xylander.

 

Wie das gehen kann, wird am Ende der Ausstellung angerissen. Politisch seien unter anderem eine nachhaltigere, standortangepasste Landwirtschaft und eine Rücknahme der Versiegelung gefordert, fasst Xylander zusammen. Aber auch jeder Einzelne könne etwas tun: «So ist unser Konsumverhalten Teil der Ursache für den Verlust wertvoller Böden. Verringerung des Fleischkonsums, Müllvermeidung und Schaffen eines naturnäheren, weniger flächenverbrauchenden Wohnumfeldes sind mögliche Maßnahmen jedes Verbrauchers, die auch den Boden schützen.»