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Oldenburg (epd). Im Kampf gegen die zunehmende Vermüllung des öffentlichen Raums hält es die Oldenburger Städtebau-Expertin Radostina Radulova-Stahmer für nicht zielführend, zuerst das Verhalten Einzelner in den Blick zu nehmen. Die Hauptursache der Vermüllung sehe sie in «systemischen Treibern» wie der seit mehr als zehn Jahren steigenden Abfallmenge durch To-Go- und Einweg-Systeme, sagte die Architektur-Professorin anlässlich des «World Cleanup Days» (Weltaufräumtag) am 20. September dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Radulova-Stahmer ist Professorin für Regenerativen Städtebau an der Jade-Hochschule in Oldenburg. Aus ihrer Sicht greift es zu kurz, eine frisch aufgeräumte und gereinigte Straße als Erfolg zu feiern. Stattdessen müssten Hebel wie Stadtgestaltung, Abfallvermeidung und Produktpolitik in Gang gesetzt werden. Nötig seien etwa breit ausgebaute Gebühren- und Pfandsysteme für To-Go-Verpackungen und Einwegplastik.

Den wichtigsten Hebel sieht die Architektin jedoch in der Gestaltung des öffentlichen Raums. Diese könne dazu dienen, dass sich Bürgerinnen und Bürger mit dem Raum identifizierten und Baukultur zum Identitätsträger werde. Entscheidend für eine starke Pflegekultur seien außerdem eine enge Nachbarschaftsaufsicht und soziale Kontrolle. Das Zusammenspiel aller Faktoren zeige sich beispielhaft im Engadin, einem Schweizer Hochtal, dessen Dörfer für ihr gepflegtes Erscheinungsbild und ihre hohe Gestaltungsqualität bekannt sind.

Wo es hingegen an Teilhabe und Nachbarschaftspräsenz fehle, schwächten sich soziale Normen gegen das sogenannte Littering (Vermüllung) ab, gab Radulova-Stahmer zu bedenken. Dies betreffe vor allem anonyme Räume, für die niemand konkret verantwortlich sei. «Wenn wir genauer betrachten, an welchen Orten in der Stadt das Littering im besonderen Maß vorkommt, dann sind es oft überpflegte, rein repräsentative Flächen, die überraschend anfällig sind. Sie liefern wenig Nutzwert, kaum Aufenthaltsqualität und wirken nach Betriebsende unbeaufsichtigt.»

«Letztlich bekommen wir Littering nicht mit noch mehr 'Besen' weg, sondern mit besserem Produktdesign, klaren Pfand-Systemen und vor allem mit gut gestalteten, gut lesbaren Stadträumen», fasste die Professorin zusammen. «Denn dort, wo Menschen gerne bleiben, fällt weniger Müll an, weil Räume Verantwortung sichtbar machen.»