Wildeshausen/Kr. Oldenburg (epd). In der Debatte um Altersbegrenzungen bei Social Media und Handy-Verbote hat die Bestseller-Autorin Silke Müller eine differenzierte Sicht gefordert. Derzeit gebe es die Auffassung, dass es entweder Verbote geben oder Medienkompetenz aufgebaut werden müsse, sagte die frühere Schulleiterin am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dabei gehöre beides unmittelbar zusammen. «Am Ende ist es der Versuch, dass man Menschlichkeit ins Netz überträgt und sich fragt, wie wir in einer digitalen Welt miteinander umgehen, die nicht mehr weggehen wird.»
Das größte Problem sei die mangelnde Aufklärung in der Bevölkerung über Risiken und Gefahren in sozialen Medien und der damit verbundenen Smartphone-Nutzung, kritisierte die Digitalbotschafterin des Landes Niedersachsen. «Im Moment mache ich mir sehr viele Gedanken darüber, dass Kinder wirklich anfangen, eher mit Chatbots über Probleme zu reden, als dass sie sich noch an Freunde, Eltern oder Vertraute wenden.» Vielen Eltern sei beispielsweise gar nicht klar, dass ihre Kinder in Online-Games von Pädokriminellen angesprochen werden könnten.
Eine Altersbeschränkung in den sozialen Medien sei dann sinnvoll, wenn sie auch umgesetzt werden könne. «Ich habe ein Nummernschild am Auto, ich habe einen Personalausweis, mit dem ich meine Identität nachweisen kann: Warum ist das nicht im Netz verpflichtend?» Wenn sich auch Erwachsene identifizieren müssten und nicht mehr anonym im Netz unterwegs seien, wäre das der «erste heilsame Schritt».
Sowohl für Eltern als auch für Lehrer sollte es verpflichtende Fortbildungen geben, forderte die Expertin. «In Niedersachsen muss man einen Hundeführerschein machen, wenn man sich einen Hund anschaffen möchte, warum kann man Eltern nicht ein Zertifikat vor dem Kauf eines Smartphones abverlangen?» Für Lehrkräfte bedeute dies, dass sie sich regelmäßig zu künstlicher Intelligenz und dem Einfluss von sozialen Medien schulen sollten.
Ein pauschales Handy-Verbot in der Schule sei nicht die Lösung, mahnte Müller. Es gehe vielmehr um Nutzungseinschränkungen zum Beispiel in der Pause. «Natürlich muss das Smartphone und dessen Nutzung zumindest thematisiert und nicht totgeschwiegen werden.» Im Unterricht müssten Geräte auch technisch und organisatorisch verwaltet werden. Die Schule sei der Schutzraum, in dem die Kinder menschliche Fähigkeiten lernen sollten, für die sie tatsächlich zunächst kein Handy benötigten.
Angesichts der problematischen Handy- und Social-Media-Nutzung vieler Kinder und Jugendlicher ist die Debatte um mögliche Einschränkungen und Verbote in Deutschland in den vergangenen Wochen neu entbrannt. Mehrere Bundesländer haben bereits Regelungen für die Handynutzung an Schulen getroffen.