Oft haben Betroffene die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in den Kirchen vorangebracht. Dabei mussten sie sich erneut schmerzhaften Erfahrungen stellen. Um dies zu bewältigen, sei eine langfristige Unterstützung nötig, fordern ihre Vertreter.
Loccum/Kr. Nienburg (epd). Bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in Kirchen und anderen Institutionen ist nach Ansicht des Betroffenen-Vertreters Matthias Katsch die Beteiligung Betroffener unerlässlich. «Ganz viele Projekte haben an dieser Stelle die größten Probleme», sagte der Sprecher der Betroffeneninitiative «Eckiger Tisch» aus dem Bereich der katholischen Kirche bei einer Tagung zum Thema Missbrauch in der Kirche, die am Sonnabend in der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg zu Ende ging. Zumindest über einen beratenden Beirat sollte die Perspektive Betroffener einbezogen werden.
Dabei sei ein traumasensibler Umgang mit den Menschen nötig, die oftmals als Kinder oder Jugendliche Schlimmstes durchleiden mussten, betonte Katsch bei der Tagung in Kooperation mit der Fachstelle «Prävention Sexualisierter Gewalt» der evangelischen Landeskirche Hannovers. Katsch stellte als Mitglied der Unabhängigen Kommission des Bundes zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs neu entwickelte Standards vor. «Sie müssen dafür sorgen, dass Menschen, die bereit sind, über ihre Erfahrungen zu sprechen, nicht am Ende schlimmer dran sind als vorher», betonte er.
Die Betroffenenvertreterin Nancy Janz unterstrich bei der Tagung, die Betroffenen leisteten «Widerstand gegen das Verstummen». Oft hätten sie selbst die Aufarbeitung erst in Gang gebracht. Sie kämpften dafür, dass in der Kirche nicht mehr länger nur auf einzelne Täter, sondern auf Strukturen geschaut werde, sagte die Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). «Ohne dieses 'trotz allem' der Überlebenden wären wir heute nicht hier.» Nötig seien jedoch mehr Menschen, die dafür sorgten, dass dieses Engagement nicht ins Leere laufe.
Detlef Zander, der wie Janz Sprecher der EKD-weiten Betroffenenvertretung ist, sagte, Aufarbeitung sei keine einmalige Veranstaltung, sondern ein langer Weg. «Sie verlangt, dass die Perspektive der Betroffenen im Zentrum bleibt.»
Nach den Erfahrungen der Traumafachberaterin Claudia Chodzinski benötigen die Betroffenen über die Krisenintervention hinaus in diesem Prozess eine längerfristige Begleitung. Dabei gehe es nicht um Therapie, sondern um eine fachlich fundierte Unterstützung, die stabilisiere und dabei helfe, Selbstermächtigung zu erlangen. Chodzinski hat in der hannoverschen Landeskirche mehrere Betroffene begleitet. «Das Erleben von Gewalt beinhaltet immer Ohnmacht und Hilflosigkeit», erläuterte sie. Darum seien Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung so wichtig. Die Betroffenen sollten verlässlich informiert und einbezogen werden. «Sie müssen gefragt werden und es darf nicht über sie entschieden werden.»