Der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, Jan Janssen, hat daran erinnert, dass das Kreuz Jesu im Mittelpunkt des christlichen Glaubens steht. Im Zentrum unserer Kirchen steht weder der Altar noch die Kanzel, sondern das Kreuz, das Kanzel und Altar, Wort Gottes und Abendmahl miteinander verknüpft und zusammengehörig macht, betonte Janssen am Mittwoch, dem 6. März, beim dritten geistlichen Abend zur Fastenzeit im münsterschen St.-Paulus-Dom. Überlegen Sie doch selbst einmal, wo Ihnen Jesus Christus als Gekreuzigter vor Augen ist, wo Ihnen das Geheimnis vom Kreuz des Lebens eröffnet und verkündigt wurde, forderte der Bischof die etwa 400 Zuhörer im Dom auf. Das Kreuz Jesu lasse sich nämlich an Stationen des eigenen Lebensweges wiederfinden, wenn man genau hinsehe und zuließe, dass es nicht zum Triumphkreuz werde.
In seiner Predigt über den ersten Korintherbrief des Paulus erinnerte Bischof Janssen sich an seine Zeit in Münster, als er um den Paulusdom herum erste Schritte als Theologiestudent zwischen Breul und Schloss, Marktständen und Fakultät gemacht und auf der Promenade griechische Vokabeln gelernt habe. Zwischen all den Großen der Wissenschaft und der menschlichen Weisheit wurde die Orientierung nicht leicht gemacht, betonte der Bischof. Janssen mahnte, kluge Worte und menschliche Weisheiten könnten nämlich das Kreuz Christi tatsächlich zunichte machen, es entleeren, aushöhlen und ihm jegliches Gewicht nehmen. Menschlich gesehen gehöre das Kreuz so zu den Ansichten eines Clowns. Im Zentrum zwischen Gott und Mensch: der Gekreuzigte! Im Zentrum der leidende, von Gott aufgerichtete Mensch! Im Zentrum der erniedrigte, von Gott geliebte Mensch!, hob der Bischof hervor.
In seinen Briefen wähle Paulus Worte der Propheten Israels, vor allem von Jesaja, die anstößig und töricht seien und alle Besserwisser und Thronhocker von ihrem hohen Sockel herunterholten. Das aber zeige: Gottes Weisheit sei hinter der offensichtlichen Torheit des Kreuzes versteckt, im Geheimnis verborgen und doch in Christus zutage und ans Licht getreten, so Janssen. Im Gelände der Kinder und im Gefilde der Unmündigen sei offenbar Antwort auf die Frage zu finden, wer des Herrn Sinn erkannt habe und sich dazu aufspielen wolle, ihn zu unterweisen. Denn auch der noch so weltläufige und wissenschaftlich bewanderte, theore-tisch und theologisch Weise sei letztlich nur Mensch vor Gott. Jedoch: Werden wir wie die Kinder, dann wird uns das Lob Gottes wieder aus freiem Herzen über die Lippen gehen, erklärte Janssen. Da ist Weisheit Gottes unter denen, die wir heute zwar nicht mehr Toren oder Narren nennen, denen wir aber so schnell einen Spleen zuordnen, die wir gleich für neben der Spur halten. Insofern sei der Gedanke des Schriftstellers Heinrich Bölls, dass sogar noch Ansichten eines Clowns so ein gleichnamiger Buchtitel Weisheit sein können, paulinisch, so Janssen.
In diesem Zusammenhang rief der Oldenburger Bischof zu einer ökumenischen Mission auf, die aus einer menschlich-bescheidenen Grundhaltung kommen müsse. Wie viel gäbe es hier ökumenisch zu tun, verstünden wir uns nicht mehr in einem Gegeneinander oder Übereinander, beschäftigten wir uns nicht mehr mit dem Argwöhnen und Aburteilen, sondern bauten wir etwas ab von unserm Hang zu Formen und Strukturen, von unserem Drang zu Ämtern und Gebäuden in unseren Kirchen, und nähmen uns der Aufgabe der Verkündigung der Weisheit Gottes gemeinsam an, mahnte Janssen. Der Bischof ergänzte, die beiden großen Kirchen seien heute von den Anfragen der Menschen ökumenisch betroffen. Nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, wohl wahr!, beschrieb Janssen realistisch die Situation der Kirchen. Mit anderen Worten: nicht so doll, was da zu sehen ist, quälend, was man so hört, besorgniserregend noch dann, wenn wir uns nicht verrücktmachen zu lassen brauchen, jedoch eine nüchterne Analyse zulassen wollen. Doch in Gottes Entscheidung, der auf der Seite der an den Rand und an die Wand Gestellten, Geschundenen und Misshandelten stehe, liege Ver-heißung und Veränderung. Wer seine Begeisterung über diese Entdeckung vom Kreuz des Lebens ausdrücken, wer seine Freude über das Geschenk im Kreuz des Lebens teilen will, der rühme sich des Herrn, der rede von Gott im Grundton seines Lobes und nicht unseres Stolzes, mahnte der Oldenburger Bischof.
Den dritten geistlichen Abend zur Fastenzeit, der unter dem Titel Das Kreuz des Lebens stand, hatte Dompropst Josef Alfers eröffnet. Für die angemessene musikalische Umrahmung sorgten in bewährter Weise Domorganist Thomas Schmitz und Cellist Lutz Wagner, die vorwiegend zur Thematik passende zeitgenössische Werke spielten.
Karl Hagemann, Bischöfliche Pressestelle Münster