Alkohol, Cannabis oder Glücksspiel: Etwa jeder sechste Mensch in Niedersachsen ist von einer Sucht betroffen oder leidet unter einer Substanzkonsumstörung. Doch die Suchtberatungsstellen im Land seien chronisch unterfinanziert, warnt die Diakonie.
Hannover (epd). Die Diakonie in Niedersachsen hat die Landesregierung aufgefordert, rund eine Million Euro mehr für die Suchtberatung im Land zur Verfügung zu stellen. «Die Fachstellen für Suchtberatung leisten eine unverzichtbare Arbeit und sind dennoch chronisch unterfinanziert», sagte Diakonie-Chef Hans-Joachim Lenke am Mittwoch in Hannover mit Blick auf den sechsten bundesweiten Aktionstag Suchtberatung am Donnerstag. Mit dem dringend benötigten Geld könnten Lücken in der Versorgung geschlossen werden, insbesondere in der Präventionsarbeit.
«Wir setzen uns dafür ein, dass die Suchtberatung endlich auskömmlich und dauerhaft finanziert wird», sagte Lenke. Nach Angaben der Diakonie leiden in Niedersachsen rund 1,3 Millionen Menschen unter einer Substanzkonsumstörung oder abhängigen Verhaltensweisen durch Alkohol, Cannabis, Medikamente oder Glücksspiel. Das sei jeder sechste im Land. Darunter litten indirekt auch zahlreiche Menschen aus dem familiären und sozialen Umfeld, vor allem Kinder oder Partnerinnen und Partner, aber auch Freunde, Kollegen und Nachbarn.
Das Ziel müsse sein, dass jede der 75 vom Land anerkannten Fachstellen für Suchtberatung eine Präventionskraft anstellen könne, sagte Lenke: «Präventionsarbeit trägt wesentlich dazu bei, Menschen davor zu schützen, in eine Sucht zu geraten.» Gleichzeitig stärke sie das gesellschaftliche Verständnis dafür, dass eine Sucht eine Krankheit sei und kein individuelles Versagen.
rühe Hilfe könne schwerwiegende gesundheitliche und soziale Folgen verhindern, unterstrich der Diakonie-Chef. Dafür brauche es aber ein flächendeckendes Präventionsnetz: «Wenn wir hier sparen, ist das für die Gesellschaft mit enormen Folgekosten verbunden.» Gerade für Jugendliche sei eine gezielte Präventionsarbeit von zentraler Bedeutung. Sie vermittele ein Bewusstsein für Risiken und stärke sie darin, gesunde Entscheidungen zu treffen und Schutzmechanismen zu entwickeln.
Suchthilfe-Referentin Andrea Strodtmann von der Diakonie sagte, Sucht werde in der Gesellschaft tabuisiert, könne aber jeden und jede treffen. «Die Menschen suchen sich häufig erst nach langem Leidensweg Hilfe.» Der Ausstieg sei oft mühsam und von Rückschlägen begleitet. Deshalb müsse die Suchtberatung vor Ort präsent sein.
Die Diakonie-Suchtberaterin Diana Ganguin aus Hannover ergänzte: «Suchtberatung vor Ort ist essenziell, weil sie soziale Isolation durch persönlichen Kontakt überwinden hilft.» Sie sei oft der erste Schritt aus der Einsamkeit. Im Alltag komme allerdings die Prävention häufig zu kurz, weil der Hilfe für akut Suchtkranke verständlicherweise der Vorrang gegeben werde. Die Diakonie unterhält in Niedersachsen 35 Suchtberatungsstellen.