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Hannover (epd). Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirsten Fehrs, hat die Bedeutung der vor 80 Jahren veröffentlichten «Stuttgarter Schulderklärung» gewürdigt. Das Dokument «verpflichtet uns auch heute, entschieden aus unserem christlichen Glauben heraus zu widersprechen, wenn die Würde des einzelnen Menschen und das friedliche Zusammenleben aller bedroht sind», erklärte die Hamburger Bischöfin am Freitag in Hannover. Die Erklärung sei «mutig und lückenhaft zugleich» gewesen.

Leitende Kirchenmänner hatten am 19. Oktober 1945 die «Stuttgarter Schulderklärung» unterschrieben. Mit ihr bekannte sich die evangelische Kirche stellvertretend für das deutsche Volk zu ihrer Mitverantwortung für die Verbrechen des Nazi-Regimes.

Heute sieht die Geschichtsforschung die Erklärung überwiegend kritisch. Sie verweist darauf, dass die deutschen Protestanten von sich aus kaum eine solches Papier formuliert hätten. Es sei nur auf Druck ausländischer Kirchenvertreter zustande gekommen. Der Massenmord an den Juden kommt in der Erklärung gar nicht vor.

Auch Fehrs wies auf diese Defizite der Erklärung hin. Es sei aus heutiger Sicht nicht nachvollziehbar, dass das Papier das unermessliche Leid des Holocaust mit keinem Wort erwähne, erklärte sie. Der Satz «Durch uns ist unendliches Leid über viele Länder und Völker gebracht worden» sei hingegen mutig gewesen, weil er der deutschen Bevölkerung die Wahrheit über die Kriegsschuldfrage zugemutet habe, trotz erwartbar heftiger Reaktionen.