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Osnabrück/Bielefeld (epd). Der Bielefelder Gewaltforscher Andreas Zick führt die zunehmende Islamfeindlichkeit in Deutschland und Europa auch auf eine langjährige Abschottung gegenüber islamischen Ländern zurück. Die Attentate der Terrormiliz Islamischer Staat sowie die großen Flüchtlingszahlen hätten die ohnehin bestehenden Ressentiments gegenüber Muslimen noch verstärkt, sagte Zick am Freitag in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. "Es gibt zunehmend islamfeindliche Übergriffe in allen europäischen Ländern. Muslime und der Islam genießen sehr wenig Sympathie."

Er halte die negativen Bilder und eine bewusste Abwertung des Islam sogar für einen "Teil der europäischen Identität - so bitter das auch klingt, weil sehr viele Muslime in Europa leben". In der 2011 veröffentlichten Studie "Die Abwertung der Anderen" hatte Zick festgestellt, dass Islamfeindlichkeit in allen europäischen Ländern stark verbreitet ist. Er ist Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung in Bielefeld und referierte am Freitag während einer Tagung zu Islamfeindlichkeit in Osnabrück.

Europa habe es versäumt, zu den muslimischen Staaten Brücken zu bauen, betonte Zick am Rande der Konferenz. Dabei wären gute Kontakte zur muslimischen Welt gerade jetzt wichtig. Denn sonst werde eine Lösung der Flüchtlingskrise nicht möglich sein. Die Politik beginne immerhin langsam zu begreifen, "dass es nicht gut ist, Partner auf Distanz zu halten, die man eigentlich braucht".

Auch die Integration der muslimischen Einwanderer habe der Westen nur halbherzig und nicht den Menschen zugewandt betrieben. "Dabei ist unserem Blick entgangen, dass sich unter den Migranten muslimische Gemeinschaften gebildet haben."

Die Deutschen und die Europäer hätten in der Mehrheit zwar gelernt, dass sie Muslime nicht unter Generalverdacht stellen dürften, sagte der Professor für Sozialisation und Konfliktforschung. "Aber wir haben nicht hinreichend gelernt sie wertzuschätzen. Wertschätzung ist aber unabdingbar, wenn man Vorurteile abbauen will." Die von ihm geleitete Studie habe gezeigt, dass interreligiöse und interkulturelle Freundschaften Vorurteile und Islamfeindlichkeit abpuffern könnten. "Die Menschen nur über den Islam zu informieren, reicht nicht aus."

Der Wissenschaftler betonte, jetzt räche sich, dass an vielen Orten aus der Not heraus Hinterhof-Moscheen über viele Jahre entstanden seien. "Der Terror in den europäischen Gesellschaften entsteht nicht in den Moscheen, sondern in den Hinterhof-Gemeinschaften." Der islamistische Terrorismus sei dann gefährlich, wenn er jungen Muslimen einen scheinbaren Respekt verschaffen könne, den ihnen die Gesellschaft nicht vermitteln könne.

Es werde in Zukunft darauf ankommen, Muslime in der deutschen Gesellschaft gleichwertig zu behandeln. Ein Schritt in die richtige Richtung sei die Einführung des islamischen Religionsunterrichts. Muslime sollten in die Gestaltung der Gesellschaft viel stärker einbezogen werden, etwa durch die Gründung eines islamischen Wohlfahrtsverbands oder auch durch gemeinsame Projekte gegen Antisemitismus.