Kirchen öffnen von diesem Sonntag an wieder ihre Türen für Gottesdienste. Die einen freut es, andere schrecken die strengen Hygiene-Regeln ab. Manche halten an gerade neu entwickelten Formaten fest - wie die Südstadtkirchengemeinde Osnabrück.
Osnabrück/Hannover (epd). Kai Hohlt blickt ungläubig auf die rote Rose, die ihm Jutta Jeskolski in gebührendem Corona-Abstand an seiner Haustür entgegenstreckt. «Ein Gruß aus Ihrer Kirchengemeinde», sagt die 67-Jährige und lächelt. Sie engagiert sich ehrenamtlich in der evangelischen Südstadtkirchengemeinde in Osnabrück. An diesem Sonntagmorgen bringt sie Hohlt außer der Blume noch eine Karte mit einem persönlichen Gruß seines Pastors. «Das ist ja ein Ding, das hab ich ja noch nie erlebt», sagt der junge Mann und grinst breit. «Gottesdienst to go» heißt das Format, dass die Pastorinnen, Pastoren und Diakone der größten Gemeinde in Osnabrück neu entwickelt haben. «Wenn keine normalen Gottesdienste möglich sind, bringen wir die Gottesdienste eben zu den Menschen», sagt Pastor Hilko Dankwerts.
Während andere Gemeinden ihre Kirchen nun unter strengen Auflagen wieder für Gottesdienste öffnen, wollen er und seine Kolleginnen und Kollegen auch in Zukunft daran festhalten. Dieses Mal werden die Angehörigen von Verstorbenen beschenkt, demnächst Tauffamilien und Geburtstagskinder. «Hygiene-Gottesdienste mit Mundschutz, großem Abstand, begrenzter Teilnehmerzahl, aber ohne Gesang können wir uns erst einmal nicht vorstellen», sagt Diakon Dirk Hartung. Auch anderswo in Niedersachsen wollen nicht alle Gemeinden gleich wieder öffentliche Gottesdienste anbieten.
«Bei uns reicht die Bandbreite an Reaktionen von: 'Hurra, ich kann endlich wieder in meiner geliebten Kirche Gottesdienst feiern!' bis: 'Oh nein, da fehlen mir Gesang, echte Gemeinschaft und das Abendmahl'», sagt der amtierende Stadtsuperintendent von Hannover, Thomas Höflich. Die Präses der reformierten Kirche Emsland-Osnabrück, Ilse Landwehr-Wegner, befürchtet, dass die Hygiene-Gottesdienste nicht erfüllen, «was viele sich an Gemeinschaft erhoffen».
Der Osnabrücker Superintendent Joachim Jeska meint, die meisten Gemeinden bräuchten Zeit, um sich langsam an den Umgang mit den vielen Regeln heranzutasten. Die katholischen Gemeinden im Bistum Osnabrück sollen zunächst an Werktagen Erfahrungen mit den neuen Hygieneregeln sammeln.
Öffnen will auch Franziska Baden aus Eschede bei Celle ihre Kirche durchaus. Aber auch sie hat sich eine besondere Form ausgedacht. Die Pastorin wird in der Johanniskirche sechs Stationen für einen Wandelgottesdienst aufbauen, an denen Besucher eine Kerze anzünden oder Wünsche und Sorgen aufschreiben können. «Ich werde dann draußen vor der Tür den Menschen mit Abstand den Segen mit auf den Weg geben», sagt die 33-Jährige. «Wir wollten nicht einfach einen abgeschwächten normalen Gottesdienst feiern. Diese Form passt besser zu der aktuellen Situation.»
Der Theologe Jochen Arnold ermuntert dazu, bei aller Skepsis «jetzt genauso mutig zu sein, wie zu Beginn der Corona-Krise». Die aus der Not heraus geborenen Online-Gottesdienste hätten mit großem Erfolg ganz neue Zielgruppen erschlossen, sagt der Direktor des Zentrums für Gottesdienst und Kirchenmusik im Michaeliskloster Hildesheim. «Ich bin dafür, dass wir die Dinge ausprobieren.» Die Pandemie werde das Leben noch lange beeinträchtigen, betont er. «Manche wollen auf die große Öffnung warten. Aber die wird so bald nicht kommen.» Viele der neuen Formen sollten deshalb weitergeführt und immer noch neue erprobt werden.
Damit rennt er bei der Osnabrücker Südstadtkirchengemeinde offene Türen ein. Die Resonanz auf den «Gottesdienst to go» bestärkt sie. In der vergangenen Woche haben Angelika Ortega und weitere Freiwillige rund 75 Senioren mit einem Stück Kuchen und der Niederschrift einer Andacht bedacht. «Viele hatten vor Freude Tränen in den Augen», erzählt sie und lächelt beglückt.