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Bundesweit haben am 1. Mai rund 330.000 Menschen auf 450 Veranstaltungen für gute Arbeit demonstriert. Auf der zentralen Kundgebung in Hannover betonte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi die Rolle der Gewerkschaften für die Demokratie.

Hannover/Berlin (epd). Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, hat anlässlich des 1. Mai die Rolle der Gewerkschaften für die Demokratie hervorgehoben. «Gewerkschaften, das ist der solidarische Zusammenschluss der Beschäftigten, um eine selbstorganisierte Macht zu entfalten - unabhängig von Regierungen», sagte Fahimi am Mittwoch bei der Hauptveranstaltung des DGB zum Tag der Arbeit in Hannover. Bundesweit kamen nach DGB-Angaben 330.000 Menschen bei 450 Veranstaltungen und Kundgebungen zusammen.

Die DGB-Vorsitzende betonte vor rund 2.500 Zuhörerinnen und Zuhörern auf dem hannoverschen Goseriedeplatz, der 1. Mai sei stets auch ein Tag der Mobilisierung gegen Kräfte, die demokratischen Werten entgegenstehen. «Wir Gewerkschaften müssen und werden alles in unserer Kraft Stehende tun, um die extrem Rechten zu stoppen und ihr spaltendes Treiben zurückzudrängen», sagte Fahimi und rief dazu auf, im Bündnis mit Sozial- und Umweltorganisationen, mit Kultur- und Sportverbänden sowie den Religionsgemeinschaften Flagge zu zeigen, «solange, bis diese braunen Hetzer in ihre Schranken verwiesen worden sind».

Fahimi hob ferner die Wirksamkeit der Gewerkschaften für gute Arbeitsbedingungen hervor. «Wir bleiben die Schutzmacht der Beschäftigten», sagte sie. Allein im vergangenen Jahr hätten die DGB-Gewerkschaften für rund elf Millionen Werktätige neue Tarifverträge verhandelt. Die vom DGB organisierten Veranstaltungen zum 1. Mai standen in diesem Jahr unter dem Motto «Mehr Lohn. Mehr Freizeit. Mehr Sicherheit». Fahimi sagte, dieses Motto rufe dazu auf, sich weiterhin einzusetzen für gute Bezahlung und faire Teilhabe am Wohlstand, für sichere Arbeitsplätze und «eine Arbeit, die Luft lässt für Familien und ein gutes Leben». Auch der Erhalt eines Sozialstaates mit hochwertiger Gesundheitsversorgung, umfassenden Bildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten sowie auskömmlichen Renten fordere unablässiges Engagement.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erteilte zum Tag der Arbeit Forderungen nach einer Erhöhung des Renteneintrittsalters eine Absage. Ihn ärgere es, «wenn gefordert wird, das Renteneintrittsalter anzuheben», sagte Scholz in einer Videobotschaft. «Für mich ist es eine Frage des Anstands, denen, die schon lange gearbeitet haben, nicht den verdienten Ruhestand streitig zu machen.» Auch jüngere Menschen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, hätten das Recht zu wissen, wie lange sie arbeiten müssen.

Über 46 Millionen Frauen und Männer in Deutschland seien derzeit erwerbstätig - «mehr als je zuvor». Hinzu kämen mehr als 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner, die viele Jahre hart gearbeitet hätten. «Sie alle, ihre Leistung und ihr Fleiß verdienen Respekt», sagte Scholz in dem unter anderem auf der Internetplattform X, ehemals Twitter, verbreiteten Video.

Auf dem Bremer Domshof sprach der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Robert Feiger, nach DGB-Angaben vor rund 4000 Menschen. Er bezeichnete «starke Tarifabschlüsse» als Dreh- und Angelpunkt gewerkschaftlicher Arbeit: «So setzen wir für die Arbeitnehmerinnen ein wichtiges Zeichen gegen Verunsicherung und für mehr Sicherheit in der Lebensplanung». Tarifverträge förderten «Gleichbehandlung und Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern, zwischen Ost und West, zwischen Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.»

In Köln blickte der Vorsitzende der in Hannover ansässigen Industriegewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliades, auf die Lage großer Unternehmen und forderte die Arbeitgeber auf, die Reallohnverluste von Beschäftigten zu stoppen. Jetzt sei die Zeit, den Menschen dauerhaft Kaufkraft zurückzugeben, sagte er auf dem Heumarkt. Die Reallöhne der Beschäftigten seien auf das Niveau von 2016 zurückgefallen, die Binnennachfrage liege am Boden. Dieser Trend müsse umgekehrt werden, mahnte Vassiliades. Ohne Frage gebe es vor allem in der energieintensiven Industrie strukturelle Herausforderungen, räumte er ein. Nötig sei aber auch Gestaltungswillen in der Industrie selbst. Trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds seien Milliardengewinne erwirtschaftet und «satte Dividenden» an Aktionäre ausgeschüttet worden.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) appellierte an die Arbeitgeber, für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen. «Ich habe kein Verständnis dafür, dass immer mehr Unternehmen Tarifflucht begehen. Das ist in Zeiten von Fachkräftemangel und enormer Arbeitsverdichtung kurzsichtig und schadet uns allen», sagte Weil bereits am Dienstag in Hannover.

Er hob mit Blick auf den Tag der Arbeit das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes hervor. Es garantiere die Bildung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden und lege damit die Basis für die Tarifautonomie. Weil betonte, die tiefgreifenden Veränderungsprozesse in vielen Branchen ließen sich nur gemeinsam mit den Beschäftigten und den Gewerkschaften erfolgreich gestalten.

Ebenfalls am Dienstag hatte die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirsten Fehrs, die Bedeutung von Solidarität betont. «Wo Menschen in Not sind, keine Arbeit finden oder um ihren Arbeitsplatz bangen, fordert uns der christliche Glaube auf, füreinander da zu sein», sagte die Hamburger Bischöfin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Arbeit verdiene Wertschätzung. Besonders in unsicheren Zeiten werde deutlich, wie wichtig Arbeit sei, «um sinnhaft in der Gesellschaft mitzuwirken».