Der aktuelle Pflegereport der Barmer GEK zeigt Licht und Schatten: Ab dem kommenden Jahr werden viele Pflegebedürftige mehr Leistungen erhalten, in den Heimen ändert sich aber fast nichts. Auf lange Sicht fehlen überall Pflegekräfte.
Bremen/Berlin (epd). Ob ein pflegebedürftiger Mensch zu Hause oder im Heim versorgt wird, hängt stark vom Wohnort ab. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des aktuellen Pflegereports der Barmer GEK, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Die Krankenkasse berichtet regelmäßig über die Entwicklungen in der Pflege. Wenige Wochen vor der Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade, die für viele der 2,8 Millionen Pflegebedürftigen Verbesserungen bringen wird, warf der Bremer Pflegeforscher Heinz Rothgang aber auch einen skeptischen Blick in die Zukunft.
Der Report sieht einen engen Zusammenhang zwischen dem Angebot vor Ort und der Art der Versorgung, die einem Pflegebedürftigen zuteil wird. In Schleswig-Holstein werden 40,5 Prozent der Pflegebedürftigen stationär versorgt. Das Land kann jedem zweiten Pflegebedürftigen einen Heimplatz anbieten und ist damit Spitzenreiter. Am anderen Ende befindet sich Brandenburg. Dort sind 27 Plätze für je 100 Pflegebedürftige verfügbar, deutlich weniger als im Bundesdurchschnitt, der bei einem Drittel liegt.
Entsprechend werden in Brandenburg die meisten Pflegebedürftigen von der Familie und Pflegediensten versorgt. Eine Rolle für die Entscheidung spielen laut Pflegereport auch die Kosten für einen Heimplatz. Bei geringem Einkommen versuchten die Familien, die Pflege zu Hause zu bewältigen. Tendenziell ist das Angebot an ambulanten Pflegediensten in den Stadtstaaten und im Osten höher, während es in den westlichen Bundesländern mehr Heimplätze gibt.
Der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Christoph Straub, bilanzierte, «die Menschen bekommen offenbar nicht immer die Pflege, die sie brauchen, sondern die, die vor Ort verfügbar ist.» Er forderte eine bessere Beratung nach dem Vorbild seiner Krankenkasse, damit die Familien das regionale Angebot optimal nutzen können. Sie müsse am Anfang möglichst zu Hause stattfinden und im Verlauf einer Pflege auch telefonisch und über Online-Angebote erfolgen.
Der Bremer Pflegeforscher Rothgang warnte, die Pflegereform werde mit Zusatzausgaben von 7,2 Milliarden Euro im Jahr teurer werden als von der Bundesregierung vorhergesagt. Die Beitragsanhebungen von 2015 und erneut 2017 reichten zur Finanzierung nicht aus. Während die Pflegeversicherung im vergangenen Jahr noch einen Überschuss von 1,7 Milliarden Euro verzeichnete, sei bereits im kommenden Jahr mit einem Defizit von 3,6 Milliarden Euro zu rechnen, sagte Rothgang.
Die Umstellung auf Pflegegrade statt Pflegestufen führt ab Januar 2017 dazu, dass Pflegebedürftige, die ambulant versorgt werden, mehr Geld und Leistungen erhalten. An den Ausgaben der Pflegeversicherung sei bereits heute deutlich abzulesen, dass seit den ersten Reformschritten mehr Geld in den ambulanten Sektor und an Demenzkranke fließe, erläuterte Rothgang. Dies werde sich im kommenden Jahr noch verstärken.
Er warnte zugleich vor Enttäuschungen für Familien, die Angehörige im Heim haben. Dort werde sich fast nichts ändern, sagte Rothgang. Die Einrichtungen würden durch die Reform nicht in die Lage versetzt, mehr Personal einzustellen. Ohnehin gehören die Prognosen zur Zahl der Pflegekräfte zu den dunklen Seiten des Reports. Im Jahr 2030 werden bundesweit 350.000 Vollzeitkräfte in der Pflege fehlen, wenn die Entwicklung weitergeht wie bisher. Heute gibt es umgerechnet rund
700.000 Vollzeitkräfte in der Pflege. Da viele Teilzeit arbeiten, sind es mehr Beschäftigte - in den Berechnungen für den Personalbedarf werden aber Vollzeitstellen zugrunde gelegt.