Die Kirchen ringen um gute Instrumente und Methoden zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs. Der Jurist und Sprecher der unabhängigen Kontrollinstanz im Bistum Osnabrück, Thomas Veen rät, Kirchen sollten die Oberaufsicht anderen überlassen.
Osnabrück (epd). Der Jurist Thomas Veen hält es für sinnvoll, dass die Kirchen sich von externen Fachleuten beim Umgang mit sexualisierter Gewalt beraten und kontrollieren lassen. Eine unabhängige Steuerung sämtlicher Prozesse von der Aufarbeitung bis zur Prävention könne gewährleisten, dass nichts unter den Teppich gekehrt werde, sagte Veen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er ist ehrenamtlicher Sprecher der sogenannten Monitoring-Gruppe, die seit 2019 den Schutzprozess gegen sexualisierte Gewalt im katholischen Bistum Osnabrück koordiniert und beaufsichtigt. Hauptberuflich leitet Veen als Präsident das Landgericht Osnabrück.
Ein kirchlicher Apparat sei ein Stück weit abgeschottet und nach eigenen Regeln organisiert, die nur schwer aufzubrechen seien, sagte der Jurist, der auch Mitglied der gemeinsamen Aufarbeitungskommission der Bistümer Osnabrück, Hildesheim und Hamburg ist. In einer solchen geschlossenen Organisation etablierten sich Routinen, die die handelnden Personen so verinnerlichten, dass sie kaum davon ablassen könnten. Die katholische Kirche etwa habe im Falle sexuellen Missbrauchs statt der Opfer zuallererst die Täter im Blick. Missbrauch werde in erster Linie als Zölibatsverstoß gewertet, der intern geklärt werden müsse.
„Deshalb braucht es einen Hebel in die Organisation hinein, der den Verantwortlichen zumindest den Spiegel vorhalten kann“, betonte Veen. Im besten Falle könne ein solches Gremium wie in Osnabrück auch unabhängige Entscheidungen treffen, ohne die Interessen der Kirche zu berücksichtigen. Die Monitoring-Gruppe etwa sei mehrheitlich mit externen Fachleuten besetzt und entscheide mit einfacher Mehrheit. Beratend seien die Ombudsperson und die Beauftragte für den Schutzprozess dabei. Beide agierten ebenfalls unabhängig und müssten sich nur der Monitoring-Gruppe gegenüber verantworten.
Die Monitoring-Gruppe lässt sich laut Veen monatlich aus den Arbeitsgruppen über alle Aufarbeitungs- und Präventionsprozesse unterrichten. Die Achillesferse in dem gesamten Konstrukt sei allerdings, dass die Gruppe faktisch keine Macht habe, sondern vom guten Willen des amtierenden Bischofs abhängig sei. Der zurückgetretene Bischof Franz-Josef Bode habe sich allerdings bei der Entwicklung des Schutzprozesses dem Ratschlag der externen Experten unterworfen.
Der neue Bischof, der im September eingeführt werde, könne all das wieder einreißen, räumte der Jurist ein. Dominicus Meier habe allerdings bereits deutlich gemacht, dass er Bodes Weg weitergehen wolle. „Außerdem hätten wir keine Hemmungen, öffentlich zu sagen, wenn etwas nicht laufen sollte.“
Als Vertreterin der Betroffenen sitzt Ilona Düing mit vollem Stimmrecht in dem Gremium. Auch sie beurteilt dessen Arbeit und Aufsichtsfunktion positiv. Zwar habe sie auch weiterhin das Gefühl, dass das Bistum nicht immer transparent informiere. Aber mit der Monitoring-Gruppe, der Beauftragten und der Ombudsperson gebe es Instrumente, um Druck auszuüben.
Düing, die auch Sprecherin des Betroffenenrats Nord ist, lobte vor allem die institutionalisierte Beteiligung der Betroffenen. Sie erlebe den Austausch mit allen Beteiligten als sehr wertschätzend und auf Augenhöhe. „Es ist immer besser, mit den Betroffenen zu reden als über sie.“