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Die Bundesländer messen der schulischen Erinnerungsarbeit zur NS-Zeit große Bedeutung bei - eine Pflicht zum Gedenkstättenbesuch für alle Schülerinnen und Schüler sehen sie mehrheitlich aber skeptisch.

Hannover/Bremen (epd). Die Forderung nach Pflichtbesuchen von Schülerinnen und Schülern in KZ-Gedenkstätten stößt bei der großen Mehrheit der Bundesländer, darunter auch Niedersachsen und Bremen, auf Skepsis. Die Landesbildungsministerien betonten in einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) die Bedeutung der Erinnerungsarbeit und verwiesen auf vielfältige schulische Aktivitäten zu diesem Thema. Eine Verpflichtung zum Besuch von Erinnerungsorten ist aber die Ausnahme und könnte nach Ansicht vieler Länder auch Probleme nach sich ziehen.

Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) hatte die Idee verpflichtender Besuche in der vergangenen Woche ins Gespräch gebracht. «Die Lehrpläne sollten das vorsehen», sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Den Angaben der Landesregierungen zufolge ist in den Lehrplänen für verschiedene Fächer und Schulformen der Besuch von NS-Gedenkstätten bereits vorgesehen - in der Regel als Soll-Vorgabe. In Bayern dagegen ist laut dem Kultusministerium der Besuch eines NS-Erinnerungsorts für die neunten Klassen an Realschulen und Gymnasien im Lehrplan «verpflichtend verankert». Für Mittelschulen soll dies ab dem nächsten Schuljahr gelten.

Auch im Saarland ist der Besuch nach Angaben der Landesregierung «ein verpflichtender Teil der schulischen Bildung». In Rheinland-Pfalz können die Schulen einen verpflichtenden Besuch für ihre Schülerschaft beschließen.

In den meisten anderen Bundesländern ist auch weiterhin keine Verpflichtung geplant. Lediglich für Hamburg ist im dortigen Koalitionsvertrag verabredet, dass der Besuch einer Gedenkstätte zum NS-Unrecht für alle Schülerinnen und Schüler «verpflichtend» wird.

Die Länder ohne Pflicht zum Gedenkstättenbesuch unterstrichen, dass schon jetzt viele Schülerinnen und Schüler bei solchen Fahrten dabei seien. «Besuche von Gedenk- und Erinnerungsorten sind seit langem ein wichtiger Baustein der Gedenkkultur an unseren Schulen», erklärte das Bildungsministerium in Schleswig-Holstein. «Durch authentische Lernorte und die Auseinandersetzung mit konkreten Biografien von Opfern gewinnen Schülerinnen und Schüler einen persönlichen Zugang zu Themen politisch-historischer Bildung», hieß es aus dem hessischen Kultusministerium.

Eine Verpflichtung aber erachteten Gedenkstätten-Experten «aus pädagogischen Gründen für nicht sinnvoll», erklärte das Bildungsministerium Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem sollten die Lehrkräfte selbst entscheiden, «welche Methode oder welches Unterrichtsformat mit Blick auf ihre konkrete Schulklasse am geeignetsten ist».

Das Bildungsministerium Schleswig-Holstein verwies auf Erfahrungen der Lehrkräfte, wonach «der in den Unterricht eingebettete Besuch einer regionalen Gedenkstätte deutlich bessere Erinnerungsarbeit leistet, als es ein isolierter Pflichttermin könnte». Das Thüringer Bildungsministerium führte die begrenzte personelle Ausstattung der Gedenkstätten an. Das niedersächsische Kultusministerium erklärte ebenfalls, die personellen und räumlichen Kapazitäten der Erinnerungsorte seien «auch ohne verpflichtenden Besuch bereits gut ausgelastet». An der epd-Umfrage beteiligten sich alle 16 Landesregierungen.

Die Bedeutung der schulischen Erinnerungsarbeit hob auch der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, hervor. «Besuche in Gedenkstätten können im Kontext des schulischen Unterrichts aufzeigen, wie und wo diese Welt der Rechtsextremen beginnt und wohin sie am Ende führen kann», sagte er dem epd. Heubner forderte zugleich, die Finanzierung solcher Besuche sicherzustellen.