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Hannover (epd). Der Sprecher des ökumenischen Netzwerks «Asyl in der Kirche» in Niedersachsen und Bremen, Sven Quittkat, hat die Kirchengemeinden ermuntert, Plätze für ein Kirchenasyl zur Verfügung zu stellen. Der Bedarf übersteige seit einigen Monaten deutlich das Angebot, sagte Quittkat dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Er führe eine Warteliste, auf der immer etwa 15 bis 20 Personen stünden. Es handle sich ausnahmslos um Härtefälle. Ohne das Kirchenasyl hätten sie keine Chance auf ein faires Asylverfahren. Viele hofften verzweifelt auf Hilfe. «Deshalb freuen wir uns über jede Gemeinde, die sich bereit erklärt, und beraten auch diesbezüglich», betonte der Sprecher.
Bei der weit überwiegenden Mehrheit der Fälle im Kirchasyl geht es laut Quittkat darum, eine Überstellung in einen anderen EU-Staat nach der Dublin-Verordnung zu verhindern. In Ländern wie Bulgarien, Rumänien, Kroatien, Litauen oder Lettland existierten kaum reguläre Asylverfahren. Die Menschen blieben ohne Hilfen, landeten in Gefängnissen oder mittellos auf der Straße. Nach einer Frist von sechs Monaten übernehme Deutschland automatisch das Asylverfahren. Also dauere ein Kirchenasyl in der Regel maximal sechs Monate.
Viele Gemeinden gingen davon aus, die Betreuung der Menschen in einem Kirchenasyl sei sehr zeit- und personalintensiv, erläuterte der Netzwerk-Sprecher. Das sei aber nicht immer der Fall. Die Geflüchteten hätten oft Familie und einen großen Unterstützerkreis vor Ort, die sich auch im Kirchenasyl um sie kümmerten. Diese Personen könnten als Dolmetscher fungieren, die Asylsuchenden mit Lebensmitteln versorgen oder sie einfach besuchen. «Das wichtigste ist, dass die Gemeinde eine Räumlichkeit mit Koch- und Waschgelegenheit anbieten kann.»
Darüber hinaus reiche es aus, wenn zwei bis drei Personen aus der Gemeinde als Ansprechpartner zur Verfügung stünden, sagte Quittkat. Selbst sanitäre Einrichtungen müssten nicht perfekt sein. Er wisse von einer Gemeinde, die keine Dusche hatte. «Die betreffende Frau hat sich dann eben anderweitig beholfen. Die Menschen sind ganz andere Verhältnisse gewohnt und erwarten kein All-inclusive-Hotel.»
Die Zahl der Kirchenasyle ist 2023 weiter gestiegen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) meldete am Mittwoch auf epd-Anfrage 2.065 Fälle von Kirchenasyl mit Dublin-Bezug bundesweit. Davon waren 137 Fälle in Niedersachsen, 90 in Bremen angesiedelt. Die meisten gab es demzufolge in Nordrhein-Westfalen (588), Hessen (333) und Bayern (327). Im Jahr davor lag die Zahl der gemeldeten Kirchenasyle in ganz Deutschland bei 1.243. Im Jahr 2021 gab es 822 Fälle. Kirchenasyl-Fälle ohne Dublin-Bezug bewegten sich im niedrigen zweistelligen Bereich (2023: 35, 2022: 33, 2021: 17).
Am Wochenende war - ebenfalls unter Bezug auf Zahlen des BAMF - über bundesweit 1.514 Kirchenasyl-Fällen für 2023 berichtet worden. Bei dieser deutlich geringeren Zahl handelt es sich laut einem Sprecher des BAMF um die Zahl der von den Kirchengemeinden eingereichten Dossiers zu den zuvor gemeldeten Kirchenasylfällen. Allerdings würden manche Dossiers erst sehr viel später als die eigentliche Meldung eingereicht. Zu einigen Kirchenasylmeldungen gehe überhaupt kein Dossier ein. Daraus ergebe sich die große Diskrepanz zwischen den Zahlen.