Osnabrück/Berlin (epd). Der Osnabrücker Pädagoge Christoph Wiebke ist überzeugt, dass stärker an Schülerinnen und Schülern ausgerichtete Lernkonzepte zu weniger Schulabbrüchen und besseren Bildungschancen führen. «Wir müssen uns als Gesellschaft bewusst machen, dass alle Kinder die bestmögliche Bildung erhalten sollten und wir niemanden zu früh in Schubladen stecken sollten», sagte Wiebke in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er leitet die Friedensschule in Osnabrück, die als einzige aus Niedersachsen für den Deutschen Schulpreis nominiert ist.
Die mit 100.000 Euro dotierte Auszeichnung wird am Dienstag (30. Dezember) in Berlin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht. Die Jury hat aus mehr als 100 Bewerbungen insgesamt 15 Schulen nominiert.
Die Friedensschule ist eine Oberschule, eine Haupt- und Realschule ohne gymnasiale Oberstufe. Sie halte sich zwar an die Kerncurricula und vergebe auch Noten, erläuterte Wiebke. Dennoch gehörten Frontalunterricht und Klassenarbeiten der Vergangenheit an. Die Lehrkräfte verstünden sich als «Lernbegleiter und Coaches». In wöchentlichen Einzelgesprächen entwickelten sie mit den Jugendlichen individuelle Lernpläne. «Dadurch sind die Lehrkräfte auch persönlich sehr nah dran an den Schülern.»
Die Schüler entschieden selbst, wann sie Leistungsnachweise erbringen wollten, sagt der Schulleiter. «Bei uns geht es nicht so sehr um den Wissenserwerb, der zentral irgendwann abgefragt wird, sondern darum, Kompetenzen für ein lebenslanges Lernen zu erwerben.» Die Schüler pendelten zwischen sogenannten Lernbüros, in denen jeder leise für sich an einem abgetrennten Platz arbeite, und dem «Marktplatz», der dem Austausch diene.
Ein beträchtlicher Teil seiner Schüler stamme aus bildungsfernen Elternhäusern, sagte Wiebke. Rund 20 Prozent hätten einen sonderpädagogischen Förderbedarf und mehr als 50 Prozent Probleme, weil Deutsch nicht ihre Muttersprache sei. Auch an der Friedensschule gebe es Schulschwänzer, räumt der Schulleiter ein. «Aber sie sind nicht abgehängt, wenn sie sich irgendwann entscheiden, wiederzukommen.» Sie könnten mithilfe ihrer Coaches den Faden ihres individuell abgestimmten Lernplanes wieder aufnehmen. «Wir wollen, dass sie einen Sinn darin entdecken, fleißig an ihren Kompetenzen zu arbeiten», unterstrich der Schulleiter. Dies gelinge an seiner Schule schon in den meisten Fällen.
Erste Erfolge scheinen der 2021 eröffneten Friedensschule Recht zu geben, auch wenn eine wissenschaftliche Evaluation durch die Universität Osnabrück noch aussteht. In ersten Vergleichstests hätten die Schüler gut abgeschnitten, berichtet Wiebke. «Wir haben jede Woche Kollegen aus anderen Schulen zur Hospitation.» Die Warteliste mit Lehrkräften, die gerne an der Friedensschule arbeiten würden, sei lang. «Früher war ich Schulleiter einer Hauptschule. Dort war die Personalgewinnung deutlich herausfordernder.»