Hannover (epd). Alle Jahre wieder regt sich mit Blick auf den Karfreitag der Widerstand gegen das Tanzverbot an den sogenannten stillen Feiertagen. Das Verbot betrifft auch andere öffentliche Veranstaltungen wie Sportveranstaltungen, da auch diese laut Feiertagsrecht «über den Schank- und Speisebetrieb hinausgehen».
Zuständig für die genauen Regelungen sind die Bundesländer. In Bremen etwa gilt das Tanzverbot nur am Karfreitag zwischen 6 und 21 Uhr. In Niedersachsen gilt es bereits ab dem Gründonnerstag von 5 Uhr an und dauert bis zur Mitternacht des Karsamstags. Ein Pro und Contra zur aktuellen Diskussion:
** PRO: **
Petra Bahr, evangelische Regionalbischöfin aus Hannover und Mitglied des Deutschen Ethikrats, sieht in den stillen Feiertagen ein wichtiges kulturelles Zeichen: «Auch in einer Gesellschaft, in der individuelle Überzeugungen und Präferenzen das Maß aller Dinge sind, braucht es gemeinsame Rhythmen. Feiertage gehören dazu, auch wenn sie unterschiedlich besetzt sind. Was für die einen religiöse Bedeutung hat, ist für andere ein kulturelles Zeichen. Für wieder andere ist es lediglich eine arbeitsfreie Zeit».
Ohne kollektive Rhythmen und Übereinkünfte zerfalle die Gesellschaft in Einzelbedürfnisse, meint die Theologin. «Stille Feiertage» gebe es nur, wenn der Alltag ausgesetzt sei. «Ist der Karfreitag eine Zumutung? Natürlich. Und das auch im religiösen Sinne. Sich dem Tod aussetzen, der menschlichen Verletzlichkeit, an einem Tag im Jahr, stiller als an anderen Tagen, ob christlich oder nicht, ist aber zumutbar», betont Bahr. Feiertage seien nach wie vor «die kulturelle Grammatik dieser Gesellschaft», auch wenn nur noch weniger als die Hälfte der Menschen Kirchenmitglieder seien.
** CONTRA: **
Für die Landesvorsitzende der Jungen Liberalen in Niedersachsen, Nadin Zaya, ist ein Tanzverbot an den «stillen Tagen» nicht mehr zeitgemäß. Es solle den Bürgerinnen und Bürgern individuell überlassen sein, wann sie feiern wollen. «Das Anliegen der Christen, einen ihrer höchsten Feiertage angemessen begehen zu können, ist gerechtfertigt. Aber ebenso sollte auch ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland, die keiner Konfession angehört, die Möglichkeit für eine freie und offene Tagesgestaltung erhalten», betont Zaya. Die Ausübung individueller Glaubensansichten einer Religionsgemeinschaft dürfe nicht dazu führen, «dass Andersdenkende in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt werden».
Auch wirtschaftliche Einschränkungen oder Konsequenzen bei Nichteinhaltung des Tanzverbotes seien problematisch: «Jeder Clubbetreiber, der gegen das Tanzverbot verstößt, riskiert seine Konzession», gibt Zaya zu bedenken. In einem säkularen Staat, der «Heimstatt aller Bürger» sei, könne die Entscheidung über die Ausgestaltung der «stillen Tage» nur bei jeder und jedem Einzelnen liegen. Ein allgemeines Tanzverbot an religiösen Feiertagen stehe dem entgegen und widerspreche den Prinzipien eines säkularen Staats.
Jörg Nielsen / epd