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Olga Kurilo, Russlanddeutsche als kulturelle Hybride. Schicksal einer Mischkultur im 21. Jahrhundert, in: Kaiser, Markus, Schönhuth, Michael (Hg.): Zuhause? Migrations- und Beheimatungsstrategien zwischen Deutschland und Eurasien, Bielefeld 2015, 53-72,

und:

Svetlana Kiel, Heterogene Selbstbilder. Identitätsentwürfe und –strategien bei russlanddeutschen (Spät-) Aussiedlern, in: Kaiser, Markus, Schönhuth, Michael (Hg.): Zuhause? Migrations- und Beheimatungsstrategien zwischen Deutschland und Eurasien, Bielefeld 2015, 73-89.
 

In diesen beiden Aufsätzen kommen zwei Aussiedlerinnen selber zu Wort, die mit modernem soziologischem Vokabular die Eigenheiten russlanddeutscher Herkunft und Gegenwart aufdecken. Mit Kurilos Hypriditätsthese stellt sich die russlanddeutsche Community als ein Paradebeispiel zeitgenössischer Mischkultur da, die tiefe Wurzeln in der Geschichte hat, nun sich aber neu aufzustellen hat.

 

Kiels Ansatz, von den Selbstbildern her zu denken, ist verblüffend einsichtig. Sie lässt wahrnehmen, dass Russlanddeutsche ihre zugleich sowjetisch-russische und deutsche Prägung verschieden beurteilen. Sie nennt Typen, die entweder ihre Hypridität als Bereicherung selbstbewusst auffassen oder aber entgegengesetzt auch als heutigen Makel in Deutschland. Dritte verfallen in einen Ethnokonfessionalismus und übertragen den religiösen Erweckungsgedanken auf das ethnische Selbstbild. Der letzte Typus, der v.a. in ethnisch gemischten Familien herrscht, trägt das Selbstbild des Sowjetmenschen in sich und versucht über Konzepte wie Völkerfreundschaft den multikulturellen Anschluss zu finden.

 

Wer diese beiden Aufsätze liest, wird sich wundern, was für Unterschiede zur sogenannten Mehrheitskultur in den Kirchen herrschen, aber auch welcher Erfahrungs- und Lebensschatz vorhanden ist, den man für neue Einwanderungszüge nach Deutschland fruchtbar machen sollte.

 

Von Pfarrer Dr. Oliver Dürr