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Ira Peter, Deutsch genug?, Warum wir über Russlanddeutsche sprechen müssen, München: Goldmann, 2025, 255 S.

Ira Peters Buch Deutsch genug? ist ein in sechszehn Kapiteln entfaltetes Szenario russlanddeutscher Überlebens-, Migrations- und Familiengeschichte. Peter schildert dazu biographische Momente ihrer eigenen Familie, entfaltet die Zeit in Kasachstan, das Ankommen in Deutschland und die Entwicklungen seither. Zugleich entfaltet sie auch historisches Wissen über die deutsche Bevölkerung in den vormaligen Zar-russischen und sowjetischen Gesellschaften. Peter versucht dabei, die unterschiedlichen bis irritierenden Selbst- und Fremdwahrnehmungen herauszuarbeiten, welche Russlanddeutsche in unterschiedlichsten Lebensabschnitten seither gemacht haben. 

Für Peter sind es gerade die mitgebrachten und doch häufig nicht kommunizierten sozialen Prägungen und Verhaltensweisen, die in den eigenen Familien und gegenüber anderen  manche Missverständnisse, Brüche oder Distanz erzeugt haben. Und sie zeigt, dass früher entstandene Traumatisierungen und das damit einhergehende Schweigen über die eigenen Verletzungen in der ehemaligen Sowjetunion und über neuere seit der Übersiedlung nach Deutschland erst in ihrer eigenen Generation (Ira Peter ist Jahrgang 1983) zu Wort kommen. Die Journalistin Ira Peter durchkämmt zu deren Kenntlichmachung  sowohl politische, soziale als auch psychologische Aspekte: so etwa den Wert der Familie, Scham und Ängste, die Erwartungshaltungen der Eingereisten, die Enttäuschungen über Stereotype und Desinteresse an ihnen, den alltäglichen Kampf um ein neues gutes Leben in Deutschland, die gelungenen Lebensleistungen der Elterngeneration, die Anfälligkeit mancher Personen für populistische Agitatoren, die neusten Auswirkungen der politischen Entwicklung seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine u.v.m. Wenn man hierbei etwas Bedauern wollte, dann, dass religiöse Neufindung und kirchliche Neubindung kein eigener dargelegter Aspekt ist.

Insgesamt ist Ira Peters Buch ein Plädoyer für die Anerkennung der Lebensleistungen aller Generationen. Viele Aspekte stehen dabei im Buch nebeneinander, können sich jedoch nicht immer untereinander erklären helfen oder einfach verbinden lassen. Dadurch zeigt sich gleichwohl die Multiperspektivität einer großen Bevölkerungsgruppe auf, die sich ins gesellschaftliche Miteinander einzubringen gewillt ist. Das Buch ist zudem ein Plädoyer für Demokratie. Die Journalistin Ira Peter bindet daran den Auftrag zur Wissensbildung und gesellschaftlichen Zusammenarbeit. „Tiefe Dankbarkeit“ ist die Grundhaltung der Autorin gegenüber den „lebenswilligen Menschen“ aller Generationen, – persönlich besonders gegenüber ihren Eltern –, die sie sich je für eigene Herausforderungen zum Vorbild nehmen möchte, um positiv und offen die Zukunft zu gestalten. Das macht das facettenreiche Buch zu einer guten Lektüre.