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Osnabrück (epd). Die diesjährigen Erstklässler sind nach Ansicht des Bildungsforschers Aladin El-Mafaalani aufgrund der Corona-Pandemie deutlich schlechter auf die Schule vorbereitet als frühere Jahrgänge. Sprach- und Bewegungsförderung sei in den Kitas wenn überhaupt nur mit angezogener Handbremse möglich gewesen, sagte der Osnabrücker Soziologe und Erziehungswissenschaftler in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). In den vergangenen zehn Jahren hätten sich die Kitas in diesen Bereichen stark verbessert. «Ich gehe davon aus, dass wir durch die anderthalb Jahre Corona mit Lockdowns, Notbetrieb und Quarantäne einen Rückfall haben.»

 


Die Grundschulen hätten am meisten unter den coronabedingten Einschränkungen zu leiden gehabt. Dort lernten die Kinder die kulturellen Grundtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen, erläuterte

El-Mafaalani: «Wenn diese im Krisenmodus, über Distanz und virtuell vermittelt werden sollen, ist das ein großes Problem.» Die Grundschulen hätten damit keinerlei Erfahrungen gehabt. Zudem existierten kaum digitale Lernformate für Kinder, die noch gar nicht lesen und schreiben können.

 


Zudem seien die Grundschulen schon vor Corona personell, gebäudetechnisch und digital unzureichend ausgestattet gewesen, bemängelte der Inhaber des Lehrstuhls für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft. «Die Grundschulen waren schon vor Corona die Achillesferse unseres Bildungssystems.» Deshalb werde ihnen nun die größte Herausforderung bevorstehen.

 


Denn auch die älteren Grundschüler hätten durch den eingeschränkten Unterrichtsbetrieb erhebliche Defizite, sagte El-Mafaalani. «Sie alle können nicht in dem Maße lesen und schreiben, wie sie es können sollten. Deshalb muss über allem der Grundsatz stehen, dass vor allem die Grundschulen offen bleiben müssen, wenn es irgendwie gesundheitlich vertretbar ist.»

 


Die meisten Probleme konzentrierten sich zudem in sozial benachteiligten Milieus, betonte der Autor des Bestsellers «Mythos Bildung». Erste Studien zeigten, dass selbst in den Phasen, in denen es keinen Schul-Lockdown gab, die Schulen in sozialen Brennpunkten häufig aufgrund von Quarantänemaßnahmen geschlossen gewesen seien. «Die größten Unterrichtsausfälle im vergangenen Schuljahr hatten also die am stärksten benachteiligten Kinder. Das ist verheerend.» Es gebe darüber hinaus schon Hinweise, dass das auf Kitas in sozialen Brennpunkte ebenfalls zutreffe.

 


El-Mafaalani empfiehlt den Ministerien und Schulen deshalb, den Schülern mehr Zeit zu geben, das Versäumte aufzuholen. Sie könnten etwa bestimmte Fächer vorübergehend aussetzen sowie enger mit Sportvereinen, Musikschulen und anderen externen Experten zusammenarbeiten. Zudem sollten sie Lehrpläne entrümpeln. Die Schulen sollten zu Beginn des Schuljahres vier Wochen für Wiederholungen und Vertiefungen bekommen.