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Goldenstedt/Kr. Vechta (epd). In dem Camp der Tierrechtschützer in Goldenstedt bei Vechta summt und brummt es wie in einem Bienenschwarm. Im großen Zelt hinten links wird leidenschaftlich diskutiert, wie Bauerinnen und Bauern davon überzeugt werden können, ihre Tierzucht aufzugeben und auf eine pflanzenbasierte Landwirtschaft umzustellen. Im Zelt gegenüber werden Sprechparolen eingeübt für die geplante Demonstration vor der nahegelegenen Zentrale von Deutschlands größtem Geflügelzüchter und Verarbeiter, der Firma PHW. Den meisten Menschen ist das Unternehmen besser bekannt durch seine Marke «Wiesenhof».

 

 

 

Bis zu 300 Tierschützer, Tierrechtler und weitere Umweltaktivistinnen und Aktivisten werden bis zum Sonnabend auf der Wiese mit dem Camp erwartet, berichtet die Sprecherin des Bündnisses «Gemeinsam gegen die Tierindustrie», Franziska Klein. Immer wieder werden Neuankömmlinge mit großen Rucksäcken begrüßt. Gelegentlich kommen auch Bewohner aus dem Ort und beobachten das Treiben auf der Wiese. Ein Schild am Eingang verrät, dass täglich um 17 Uhr Führungen über das Gelände angeboten werden. Regelmäßig grüßt auch die Polizei bei ihren Streifenfahrten.

 

 

 

Co-Sprecherin Friederike Schmitz erklärt: «Wir wollen eine gesellschaftliche Debatte anstoßen mit dem Ziel, einen Transfer in der Agrargesellschaft einzuleiten.» Mit Workshops, Lesungen und Vorträgen solle das Für und Wider diskutiert werden.

 

 

 

Der Ort Goldenstedt sei bewusst für das Camp ausgewählt worden, sagt Schmitz. Die Philosophin hat mit einer Arbeit über Tierethik promoviert. «Wir sind hier im Kerngebiet der Tierindustrie.» Allein im Landkreis Vechta leben nach Schätzungen des Bündnisses mehr als 13 Millionen sogenannter Nutztiere, vor allem Hühner - mehr als in jeder anderen Region Deutschlands. Außerdem liegt die Zentrale von PHW nur wenige Kilometer entfernt. «Das Unternehmen steht symbolisch für die ganze Tierindustrie.»

 

 

 

«Daisy» bezeichnet sich selbst als «Tierbefreiungsaktivistin». In Workshops habe sie bereits gelernt, dass das Einkommen der Bauern in den vergangenen Jahrzehnten auf einen Bruchteil zusammengeschrumpft sei. «Ich kann nun verstehen, warum Landwirte und Landwirtinnen uns als Bedrohung empfinden. Es geht um ihre Existenz.» Um so wichtiger sei es, sie für eine biovegane Landwirtschaft zu begeistern. «Es geht um langfristige Veränderungen hin zu einer kleinbäuerlichen und solidarischen Landwirtschaft.» So könnten sie sich auch vom Druck der großen Konzerne befreien.

 

 

 

Plötzlich sorgt ein roter Kleinwagen für Aufmerksamkeit, der einfach auf das Camp-Gelände fährt. Ihm entsteigt ein alter Mann und stellt sich vor: «Ewald Meyer heiße ich und bin 83 Jahre alt.» Beim Frühstück habe er in der Zeitung von dem Camp gelesen und seiner Frau gesagt: «Das muss ich mir ansehen.»

 

 

 

Als 16-Jähriger habe er zwangsweise den Betrieb seines Vaters übernommen und bis zum 50. Lebensjahr als Viehhändler gutes Geld verdient, erzählt er. Doch dann sei ihm klar geworden, dass er mit seinem Beruf Schuld auf sich geladen habe. Konsequenterweise habe er den Betrieb dann aufgegeben. Heute sei er froh, dass sich junge Menschen für eine bessere Welt einsetzten. Es sei traurig, dass die Alten nicht gemeinsam mit den jungen Leuten von «Fridays for Future» auf die Straße gingen. «Sie tun das hier für die Generation, die nach uns kommt», sagt Meyer. Nach ein paar Fotos steigt er wieder in seinen Wagen. Seine Frau habe zuhause die Kartoffeln aufgesetzt.

 

 

 

In der Firmenzentrale von PHW in Visbek werden derweil Vorbereitungen für mögliche gewalttätige Auseinandersetzungen getroffen. Das Firmengelände ist umringt von einem mehrere Meter hohen Stacheldraht-Zaun, der Tag und Nacht mit einem Flutlicht ausgeleuchtet wird. Die Zufahrtstraße ist durch ein rund fünf Meter hohes Holztor abgeriegelt. Auf Türmen patrouilliert gut erkennbar ein Security-Wachdienst.

 

 

 

Auf eine Anfrage zu den ungewöhnlichen Schutzmaßnahmen teilt der Konzern mit: «Jeder hat selbstverständlich das Recht auf Demonstrationsfreiheit, und wir sind jederzeit offen für Gespräche mit allen friedlichen Anspruchsgruppen. Der Aufruf zu zivilem Ungehorsam sowie unter anderem zur Enteignung ist keine gute Grundlage für ein zielführendes offenes Gespräch.»