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Oldenburg/Lüchow (epd). Belästigungen, Beleidigungen, grenzüberschreitende Anmache vom digitalen «Herrenwitz» bis zu Vergewaltigungs- und Morddrohungen: Für viele Menschen, vor allem für Frauen, gehören Hass und sexualisierte Gewalt im Netz zum Alltag. «Dagegen lässt sich etwas unternehmen», ermutigt Cordelia Moore, Aktivistin bei der bundesweit engagierten Initiative «Love-Storm». Online fördert die Trainings- und Aktionsplattform Zivilcourage im Netz. Das Ziel: Hasskommentare und Cybermobbing durch Solidarität mit den Angegriffenen gewaltfrei stoppen.

 

 

 

Diesmal haben die Präventionsräte in Oldenburg, Verden und Loxstedt bei Bremerhaven gemeinsam zum «Love-Storm-Training» eingeladen: Im virtuellen Rollenspiel treffen Angegriffene, Hass-Kommentierende, Zuschauende und Eingreifende aufeinander. Moore informiert die Teilnehmenden an diesem Abend in einem zweistündigen Training. Schon der Projektname macht deutlich, worum es im Kern geht: Dem Shit-Storm, den Hassbotschaften, einen Love-Storm entgegensetzen.

 

 

 

«Ob Cybermobbing oder Hatespeech, wir wollen, dass keine Angegriffenen mehr im Netz allein gelassen werden», erklärt der Love-Storm-Projektleiter Björn Kunter im niedersächsischen Lüchow das zentrale Anliegen. Unter der Trägerschaft des Bundes für Soziale Verteidigung hat der Friedenspädagoge die Initiative 2017 ins Leben gerufen, die neben offenen Trainings mittlerweile auch vertiefende Workshops und Fortbildungen anbietet.

 

 

 

Die Beschäftigung mit dem Thema sei dringend nötig, betont Moore. Sie zitiert im Faktencheck vor dem Training zwei Studien von Amnesty und Plan International, nach denen Betroffene nicht nur über Angstzustände, Panikattacken und Schlafprobleme berichten, sondern auch angeben, dass sie sich von Internet-Plattformen zurückgezogen haben und selbst nichts mehr posten.

 

 

 

Vor diesem Hintergrund üben die Teilnehmenden in zwei Rollenspielen: Position beziehen für die angegriffene Person, Solidarität bekunden oder auch demonstrativ die Postings des Angreifenden ignorieren. Cordelia Moore fordert dazu auf, die Angegriffene, in diesem Fall eine Journalistin, nicht alleine zu lassen und virtuell mit solidarischen Beiträgen an ihre Seite zu treten. Wer außerdem menschenverachtende Äußerungen benenne, klar Position beziehe und andere in direkter Ansprache auffordere, sich zu beteiligen, könne auch zunächst passiv Zuschauende aktivieren.

 

 

 

Sich einzumischen und die Zivilcourage, einen Kommentar zu schreiben, seien leider nicht die Regel, macht die Trainerin klar. Sie verweist auf Untersuchungen, nach denen 80 Prozent der Menschen, die Dialoge mit Hasspostings verfolgen, nur scrollen und nichts schreiben. «Dann aber setzen sich die Aggressoren durch», warnt Melanie Blinzler, Geschäftsführerin des Präventionsrates in Oldenburg.

 

 

 

Und was tun mit Blick auf die, die Hasskommentare schreiben? «Nachfragen, stichhaltige Argumente einfordern, Gegendarstellungen bringen, Diskutieren, wenn das Gegenüber auf Argumente eingeht und nach den Beweggründen des Angreifers fragen», rät Moore. Aber allen Teilnehmenden wird an diesem Abend auch klar: Ein Training allein reicht wohl nicht aus, um im Ernstfall wirklich aktiv zu werden.

 

 

 

Digitale Zivilcourage müsse geübt werden, ist auch Präventions-Expertin Blinzler überzeugt, die im zweiten Rollenspiel die Position des Angreifenden einnimmt - und dabei spürt, was es bedeuten kann, wenn solidarisch gegen Hass vorgegangen wird. «Das wurde schwieriger, wenn man alleine den Stinkstiefel gibt. Schließlich war ich mit meinem Latein am Ende.»