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Besuch der Friedens-AG der Grundschule Rheinstraße in der Ausstellung der benachbarten Christus- und Garnisonkirche

„ZeitZeug 1945", die Ausstellung mit Erinnerungsschätzen zum Kriegsende 1945 ist seit Ende April in der Christus- und Garnisonkirche in Wilhelmshaven zu sehen. Sie setzt sich mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und den folgenden „Trümmerjahren" auseinander. Zu sehen sind 31 Alltagsgegenstände aus dieser Zeit, um sie auch für die Menschen 80 Jahre später nahbar zu machen. Die Idee ist dabei, Gegenstände sprechen zu lassen, da es nur noch wenige noch menschliche Zeugen aus dieser Zeit gibt. 

Seit Ende April kommen wöchentlich mehrere hundert Menschen, um die Ausstellung zu sehen. Manche eher zufällig, weil sie die Kirche ohnehin besuchen, andere ganz gezielt. Gerade viele ältere Menschen schauen durch die Fenster der Erinnerung der Aussteller und staunen, wie nahbar die Welt von 1945 plötzlich wird. Das hilft ihnen, sich an eigene Erlebnisse aus ihrer Kindheit zu erinnern oder an die Erzählungen ihrer Eltern. 

Dass Kinder gezielt in die Ausstellung kommen, ist eher die Ausnahme. Schon zum zweiten Mal ist jetzt eine Gruppe aus der benachbarten Grundschule Rheinstraße in der Ausstellung. Die zehn Kinder aus mehreren 4. Klassen gehören allesamt zur Friedens-AG der Schule. Hier werden Kindern aus fast 30 Nationen unterrichtet, darunter auch solche, deren Familien aus Kriegs- und Krisengebieten geflüchtet sind. 

Was Frieden bedeutet, haben manche erst in Wilhelmshaven kennengelernt. Da passt es, dass es an der Schule eine eigene AG dazu gibt. Anke Mauss ist Lehrerin an der Schule, leitet die AG und ist zugleich Konrektorin: „Der erste Besuch der Kinder in der Ausstellung war zugleich die Vorbereitung für ein Gespräch mit einem Zeitzeugen.“ Im Mai hatten die Kinder Gelegenheit, mit einem 93jährigen Zeitzeugen aus Wilhelmshaven zu sprechen, der das Kriegsende als Kind in der Stadt erlebt hat.  

Bei „ZeitZeug 1945" in der Christus- und Garnisonkirche haben einige Kinder besonders die verschiedenen Spielzeuge angesprochen, die hier ausgestellt werden. Allesamt damals mit einfachsten Mitteln selbst gebastelt stehen sie im krassen Gegensatz zu dem, womit Kinder heute spielen. Doch auch andere Exponate stehen für die Kinder besonders im Blick. 

Einen Zehnjährigen fasziniert eine Postkarte, „da steckt eine spannende Geschichte dahinter“. Die Karte bekam Hermann Köhler als siebenjähriger Junge 1946 von seinem Vater aus russischer Kriegsgefangenschaft. Maximal 25 Worte waren auf der Karte erlaubt. „Sehnsucht in 25 Worten“ ist das Exponat überschrieben. 

In der Ausstellung treffen die Kinder Hermann Köhler dann auch persönlich. Sofort löchern sie den heute 86jährigen Zeitzeugen mit ihren Fragen und Köhler gibt bereitwillig Antwort: Wie in seinem Heimatdorf zu Kriegsende die Menschen mit weißen Fahnen den einmarschierenden amerikanischen Soldaten entgegengingen und linientreue Gestapokräfte dies verhindern wollten. 

Hermann Köhler freute sich sehr darüber, dass die Kinder so an der Geschichte vor 80 Jahren interessiert sind. Einem elfjährigen Mädchen hat es besonders der zerfledderte Teddy angetan, dem man seine weiten Reisen ansieht: „Der sieht so gruselig aus“. Ein anderer Junge stellt sich gerade vor, wie es ihm in der alten Holzkiste ergangen wäre, die an ein Versteck vor Wehrmachtssoldaten kurz vor Kriegsende erinnert, „da würde ich auch reinpassen“. 

Lehrerin Anke Mauss hat ihre Bachelor- ebenso wie ihre Masterarbeit über Erinnerungskultur verfasst. Da lag es nahe, dass sie an der Grundschule Rheinstraße auch eine Friedens-AG anbot. Seit Anfang des Jahres gibt es die AG jetzt. „Die Kinder lernen hier, wie wichtig Frieden ist und keineswegs selbstverständlich. Frieden spielt auch in ihrem Leben eine große Rolle, in der Schule und der Familie. „Und der Krieg ist ganz nah, wenn wir an die Ukraine denken.“ In der AG geht es für die Zehn- und Elfjährigen um Friedenssymbole, um Friedensträger und um die Frage, „wie es ist, wenn wir keinen Frieden haben“. Für Mauss ist die Arbeit in der Friedens-AG auch ein wichtiger Einstieg in die Demokratiebildung an der Schule. 

Derzeit arbeiten die Kinder zusammen mit Anke Mauss an einer Ausstellung, die ab dem 27. Juni im Marinemuseum gezeigt wird. Neben den Exponaten der Kinder gibt es dort zur Eröffnung auch Lieder und eine Tanzvorstellung. 

Hermann Köhler ist häufiger zu Gast in der Ausstellung, vielleicht auch deshalb, weil er seine Postkarte inzwischen ein wenig vermisst: „Die Karte von meinem Vater, den ich nicht kannte, trage ich sonst immer bei mir, so kostbar ist sie mir.“ Einige Wochen muss Köhler noch warten, bevor er die Karte zurückbekommt. Die Ausstellung ist noch bis Ende August zu den Öffnungszeiten der Kirche zu sehen. 

Weitere Infos zur Ausstellung und den ausgestellten Stücken unter: www.havenkirche.de  

 

Lehrerin Anke Mauss und Zeitzeuge sowie Aussteller Hermann Köhler mit Kindern aus der Friedens-AG
Lehrerin Anke Mauss und Zeitzeuge sowie Aussteller Hermann Köhler mit Kindern aus der Friedens-AG
Die Kinder im Gespräch mit dem Zeitzeugen und Aussteller Hermann Köhler
Die Kinder im Gespräch mit dem Zeitzeugen und Aussteller Hermann Köhler
Kinder in der Ausstellung „ZeitZeug 1945" in der Christus- und Garnisonkirche in Wilhelmshaven
Kinder in der Ausstellung „ZeitZeug 1945" in der Christus- und Garnisonkirche in Wilhelmshaven
Exponate der Ausstellung „ZeitZeug 1945"
Exponate der Ausstellung „ZeitZeug 1945"