Zum Hauptinhalt springen

Köln/Hannover (epd). Die Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen schaden nach den Worten des amtierenden Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, auch dem Ansehen der evangelischen Kirche. Die Öffentlichkeit unterscheide in solchen Fragen kaum zwischen den Konfessionen, sagte des Präses der rheinischen Kirche am Sonnabend in Köln. Der Missbrauch von Minderjährigen sei zudem kein katholisches Phänomen, es gebe ihn etwa auch bei Protestanten oder Konfessionslosen. Am häufigsten komme Missbrauch in Familien vor.

   Als Konsequenz aus den zuletzt bekannt gewordenen Fällen von sexuellem Missbrauch fordert der Repräsentant der 25 Millionen deutschen Protestanten von den Kirchen Transparenz und umfassende Zusammenarbeit mit der Justiz. «Die staatliche Gerichtsbarkeit muss die Einzelfälle aufklären», betonte Schneider. Auch innerhalb der Kirche müsse es Konsequenzen geben. Dazu gehört für den EKD-Ratschef ein Täter-Opfer-Ausgleich. Wer sich an Minderjährigen vergangen habe, dürfe zudem nicht mehr als Pfarrer oder in ähnlicher Funktion arbeiten.

   «Unsere erste und wesentliche Sorge gilt den Opfern», unterstrich Schneider. «Den geschundenen Seelen muss geholfen werden, so gut das möglich ist.» Die Kirche werde aber auch die Solidarität mit den Tätern nicht aufgeben, sie dürften «menschlich nicht fallen gelassen werden». Strafe dürfe nicht zerstören, sondern müsse «zurecht bringen». Der «Grundton» müsse Gnade sein. «Das geht nicht ohne Reue, Umkehr und Buße», betonte der 62-jährige Theologe. Dazu zähle auch die Einwilligung der Täter in eine Therapie.

   Skeptisch äußerte sich Schneider über die mögliche Verlängerung oder Aufhebung von Verjährungsfristen. Einerseits dürfe nichts unter den Teppich gekehrt werden, sagte er. Andererseits sei es für die Opfer vielleicht nicht hilfreich, wenn schreckliche Erfahrungen viele Jahre später wieder an die Oberfläche geholt würden. Runde Tische könnten dagegen ein sinnvolles «Instrument der Vermittlung» sein.
Über Entschädigungen sollte nach Schneiders Auffassung im Einzelfall entschieden werden.

   Für die evangelische Kirche sieht der EKD-Ratsvorsitzende derzeit keinen Anlass, sich bei Opfern von sexuellem Missbrauch pauschal zu entschuldigen. Dies sei zunächst eine Sache zwischen Täter und Opfer, sagte Schneider. «Wo wir als Kirche schuldhaft versagt haben, sind wir als Institution in der Pflicht, aber ein solches Versagen sehe ich im Augenblick nicht.»