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Derzeit finden Gottesdienste wegen der Corona-Pandemie nur ohne Gemeinde statt. Der Kirchenrechtler Heinig hält dies trotz der Beschneidung der Religionsfreiheit für gerechtfertigt.

 

Göttingen/Hannover (epd). Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig hat innerkirchliche Kritik an Kirchenschließungen und dem Verzicht auf Gottesdienste in der Corona-Krise zurückgewiesen. Zwar stelle das temporäre Verbot, sich zu Gottesdiensten zu versammeln, einen «besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff» dar, legte der Professor für Öffentliches Recht und Kirchenrecht an der Universität Göttingen in einem Beitrag für das Magazin «Zeitzeichen» dar. Ohne die massive Intervention in das öffentliche Leben würden aber angesichts der exponentiellen Ausbreitung des Virus das Gesundheitssystem in kürzester Zeit zusammenbrechen und Hunderttausende Menschen sterben, so Heinig.

 

Für die Kirche sei es daher ebenso schmerzhaft wie richtig, zum Schutz des Gemeinwesens für einige Wochen auf gottesdienstliche und andere kirchliche Versammlungen zu verzichten. Das «Lamentieren einiger kirchlicher Kreise über den zeitweisen Verzicht auf Gottesdienste» erscheine «bemerkenswert selbstsüchtig und kurzsichtig», kritisierte der Jurist, der auch Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.

 

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) verteidigte das staatliche Gottesdienstverbot. «Mir ist bewusst, dass dies gerade zu Ostern viele Menschen hart trifft», sagte er der Oldenburger «Nordwest-Zeitung» (Samstag). «Und das tut jedem leid, es ist aber aktuell notwendig.» In einer Kirche oder Moschee kämen zahlreiche Menschen auf engem Raum zusammen und verbrächten viel Zeit miteinander. Zudem sei in den Kirchen das Durchschnittsalter der Besucher höher als etwa in Supermärkten oder Baumärkten. «Die Risiken würden sich überproportional vervielfältigen.»

 

Der Kirchenrechtler Heinig wies darauf hin, dass staatliche Gebote und Verbote verhältnismäßig ausfallen müssten. «Prüfposten für die verfassungsrechtliche Angemessenheit gegenwärtiger infektionsrechtlicher Interventionen muss die drohende Lage bei ungehindertem Infektionsverlauf sein», sagte der Rechtsprofessor. «Social distancing» sei derzeit angesichts der Corona-Pandemie «die einzig sinnvolle Public-health-Strategie».

 

Auch an Ostern können die Menschen in Deutschland zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte keine Gottesdienste in Kirchen feiern. Diese werden bundesweit nur ohne Gemeinde stattfinden. Die Landeskirchen und Bistümer werden aber fast alle Osterfeiern live im Internet oder im Rundfunk übertragen, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den 20 evangelischen Landeskirchen und 27 katholischen Bistümern in Deutschland ergab.

 

Internet
Heinig-Beitrag in «Zeitzeichen»: http://u.epd.de/1hbt