Von Daniel Behrendt (epd)
Hannover (epd). Der Jahresbeginn steht bei vielen Menschen im Zeichen guter Vorsätze. Geht es nach der Aktivistin und Autorin Jasmin Mittag, ist ausmisten, aufräumen und den Besitzstand auf das Wesentliche reduzieren der beste Vorsatz, um auch innerlich gut sortiert in ein neues Jahr zu starten. «Minimalismus ist der Gegenentwurf zum verbreiteten Konsumzwang. Minimalismus heißt, bewusster nach den eigenen Bedürfnissen zu fragen, bewusstere Entscheidungen zu treffen und eine bewusstere Beziehung zu Menschen und Dingen einzugehen», betont die 45-jährige Hannoveranerin.
Sie selbst beschäftige sich seit 2015 in Workshops und Selbstexperimenten mit dem Minimalismus. Mit «Haut und Haaren» sei sie aber erst 2019 in das Thema eingestiegen. «Erst habe ich all mein Hab und Gut in den Keller verbannt, um es stückweise zurück in meine leere Wohnung zu holen», erläutert sie. Am Ende kam sie auf rund 50 Dinge, die für ihr Leben unverzichtbar sind - neben alltäglich-praktischem wie Teller, Tasse, den nötigsten Klamotten und ihrem Notebook auch so etwas, wie eine kleine Stofffledermaus, die sie schon länger begleitet. «Wenn einzelne Dinge zwar keinen konkreten Nutzen, aber große emotionale Bedeutung haben, sind sie keinesfalls überflüssig», betont Mittag. Denn Minimalismus stelle immer auch die Frage: Was tut meiner Seele gut?
Auch im Großen und Ganzen kann Minimalismus etwas verändern, ist Mittag überzeugt. «Würde die Mehrheit der Menschen wirklich wertebasiert und bedürfnisorientiert leben, würde kein Müll mehr in die Ozeane gekippt und kein Kleidungsstück mehr produziert, das am Ende niemand trägt», sagt sie.
Inzwischen sei aus dem Trend eine regelrechte Bewegung vorwiegend jüngerer Menschen geworden, die ihren minimalistischen Lebensstil zwar unterschiedlich streng, aber stets auf der Suche nach mehr Nachhaltigkeit und Lebensglück lebten. «Die ersten Schritte auf diesem Weg sind nicht schwer», meint Mittag - und gibt dafür sechs Grundregeln an die Hand:
1. Bewusster Konsum: «Minimalismus beginnt mit bewusstem, nachhaltigem Konsum», erklärt Mittag. Deshalb sollten vor jeder Anschaffung drei Fragen stehen: Brauche ich das wirklich? Gibt es das auch gebraucht? Und: Wen und was unterstütze ich mit meinem Kauf? Auch rät die Minimalistin dazu, zunächst eine Liste für die Kaufwünsche anzulegen. «Danach gehe ich nicht gleich ins Geschäft, sondern lasse den Wunsch ein wenig ruhen. Meist erlischt das Kaufinteresse dann.»
2. Finanzen: «Wer mit wenig Geld auskommt, kann sein Leben freier gestalten», sagt die Hannoveranerin. Sie empfiehlt ein klassisches Haushaltsbuch, um herauszufinden, in welchen Bereichen mehr Sparsamkeit möglich ist. Auch rät Mittag dazu, lieber mit Bargeld als auf elektronischem Weg zu bezahlen: «Dann wird uns wirklich bewusst, wie viel Geld durch unsere Hände geht.» Ihr Portemonnaie bestückt sie stets nur mit der Summe, die sie auszugeben gedenkt: «Das schützt vor Spontankäufen.»
3. Aussortieren und Loswerden: Jasmin Mittag empfiehlt, beim Ausmisten mit Kleidung, Büchern und Tonträgern anzufangen.« Zunächst werden dabei alle Gegenstände einer Kategorie zusammen gesammelt. Jedes Stück wird anschließend unter der Frage begutachtet: »Bringt es mir Freude?« Wird die Frage verneint, kann das betreffende Stück aussortiert werden. »Dabei gilt aber, nicht einfach nur wegzuschmeißen, sondern alle noch gut nutzbaren Dinge einem sinnvollen Zweck zuzuführen«, betont Mittag - und rät dazu, Aussortiertes zu verschenken oder an Sozialkaufhäuser zu geben.
4. Garderobe auf Basics reduzieren: »Alle Klamotten, die ein Jahr lang nicht getragen worden sind, können weitergegeben werden, etwa bei einer privaten Kleidertauschparty«, formuliert Jasmin Mittag die Grundregel für den Kleiderschrank. Zudem empfiehlt die Hannoveranerin, sich bei der Garderobe auf wenige Farben zu beschränken: »Dann passt alles zu allem - und für Abwechslung und Farbakzente sorgen ein paar sorgsam gewählte Accessoires.«
5. Digitale Achtsamkeit: »Besonders soziale Netzwerke und Messenger binden unsere Aufmerksamkeit - und halten uns oft von produktiveren, schöneren Erfahrungen ab«, sagt Mittag. Sie rät dazu, Push-Nachrichten zu deaktivieren und sich bildschirmfreie Zeiten und Zonen, wie etwa das Schlafzimmer, einzurichten. Zudem empfiehlt die Minimalistin, die Bildschirmzeiten mit speziellen Apps im Blick zu behalten und sich ein Limit zu setzen. »Die so eingesparte Zeit darf dann umso bewusster genossen werden: etwa bei einem Spaziergang in der Natur, einem guten Gespräch oder dem Kochen eines leckeren Mahls.«
6. Ernährung: »Auch eine gesunde, ökologisch und ethisch saubere Ernährung gehört zum Minimalismus«, erklärt die Minimalistin. Deshalb sei ein regionaler und saisonaler Einkauf auf dem Wochenmarkt dem Discounter vorzuziehen. »Mit einem mitgebrachten Einkaufsbeutel lassen sich dort auch gut Plastikverpackungen vermeiden."
Internet:www.jasminmittag.de