Bremen (epd). Niederlagen wie das verunglückte Comeback des ehemaligen Formel-1-Stars Michael Schumacher erfordern nach Auffassung der Soziologin und Gesundheitswissenschaftlerin Annelie Keil Trauerarbeit. «Schon mit der Geburt fängt das Leben mit einem Abschied an», sagte die Bremer Wissenschaftlerin am Mittwoch in einem epd-Gespräch. So wie der Ex-Ferrari-Pilot Abschied von seiner Identität als gesunder Rennfahrer nehmen müsse, stehe jeder Mensch für sich vor ähnlichen Herausforderungen, wenn beispielsweise eine chronische Krankheit oder der Jobverlust drohten.
«Wir müssen lernen, mit Defiziten zu leben», sagte Keil. «Das ist eine große Integrationsaufgabe, der sich jeder stellen muss, denn in jedem Augenblick kann das Leben abstürzen», betonte die Expertin, die einen Herzinfarkt überwunden hat und an Krebs leidet. Es gebe zwar keine allgemeingültigen Rezepte. Wichtig sei aber zunächst, sich mit der Wahrheit zu konfrontieren, Trauer, Wut und Schmerz zuzulassen, «wenn nötig mit der Hilfe anderer Menschen».
Schumacher sei in dieser Hinsicht sicher privilegiert. «Aber auch er muss das geplatzte Comeback emotional verarbeiten.» Wer sich Lebensaufgaben wie dieser verschließe, gefährde seine Gesundheit noch mehr. Wenn eine Erfolgswurzel ausgerissen werde, stehe der Betroffene nackt da, sollte sich diesem Gefühl aber nicht auf Dauer unterwerfen.
«Wir sind immer mehr als die eine Erfolgswurzel.» Wer gelernt habe, Neues zu entwickeln, halte die Seele gesund. «Einen neuen Anfang zu machen, kann total bitter sein und erfordert Mut», sagte Keil. «Das Leben ist eben nichts für Feiglinge.»