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In den konfessionellen Kindertagesstätten in Wilhelmshaven regt sich erster Widerstand gegen das neue Niedersächsische Kindertagesstätten Gesetz. Die neuen Vorschriften haben nämlich erheblichen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Betreuungszeiten, immer wieder müssen kurzfristig Gruppen geschlossen werden. Das stellt die Eltern vor erhebliche Probleme, ist aber auch eine hohe Belastung für die Mitarbeiter und die Leitung der Einrichtungen. Jetzt informierten die Leitungen der konfessionellen Kindertagesstätten die Elternvertreter in der Christus- und Garnisonkirche in Wilhelmshaven über die Entwicklungen. 

   

Aus dem Kreis der Leiterinnen hatten Kerstin Fürst, Sabine Wistuba und Doris Voges den Abend organisiert, eingeladen  waren Frauke Rüter-Schmidt von der Fachstelle Kindergartenarbeit im Oberkirchenrat, Pastor Kai Wessels als Sprecher der konfessionellen Kindertagesstätten in Wilhelmshaven und der Leiter des städtischen Jugendamtes Jörg Ratzmann. 

   

Detailliert wurde die Entstehung des neuen Gesetzes erläutert, das als Zielsetzung eine höhere Qualität der Erziehung und Förderung der Kinder in den Einrichtungen habe. Die neue Regelung fordert jederzeit (sowohl in Kernzeiten mit vielen Kindern als auch in Randzeiten mit wenigen Kindern) zwei pädagogische Fachkräfte in einer Gruppe. Bisher konnte hier auch mit pädagogischen Assistenzkräften oder „geeigneten Personen“ gearbeitet werden. Das stellt die Einrichtungen vor erhebliche Schwierigkeiten, denn sie haben das Personal nicht – und können es auch nicht einstellen, der Markt ist leergefegt. Es bleibt also nur, Gruppen zu schließen weil die gesetzlichen Vorgaben an die Personaldecke nicht eingehalten werden können. 

   

Auf dem Podium waren sich alle einig, dass es sich um ein gutes Gesetz handele. „Dieses Gesetz fördert unsere Kinder, aber es wurde vergessen eine Übergangsfrist von drei Jahren einzuräumen“, sagte Wessels. Denn mit Sozialassistenten, die in vielen Einrichtungen als Zweitkräfte eingesetzt sind und wenn es eng wird, oft auch allein eine Gruppe übernehmen, kommt man nun nicht mehr aus. Paradoxerweise werden zurzeit aber immer noch Sozialassistenten ausgebildet, die am Ende aber nicht mehr benötigt werden. Viele langjährig tätige  Sozialassistenten müssen sich für eine weitere Qualifizierung aber komplett aus dem Berufsalltag zurückziehen und erneut die Schulbank drücken – das führt zu weiteren Engpässen bei den Betreuungskräften – und weiteren Gruppenschließungen 

   

Ratzmann unterstrich, dass die Entwicklung kein Wilhelmshavener Problem sei, sondern die gesamte Gesellschaft treffe. Hier sei zwar mit guter Absicht ein Gesetz verabschiedet worden, die Realisierbarkeit sei aber völlig außer Acht gelassen worden. Gleichwohl sichere das Gesetz eine höhere Qualität der Betreuung.   

   

Bessere Qualität? Die Elternvertreter sahen das ganz anders. „Wo ist die bessere Qualität, wenn mein Sohn tagelang mit meiner Frau, die im Homeoffice arbeiten kann, zu Hause sein muss und unzufrieden ist?“, fragte ein Vater. Etliche Elternvertreter fragten direkt, was sie tun könnten. „Erheben sie ihre Stimme, Eltern haben ein hohes Gewicht gegenüber der Politik, das zeigt die Erfahrung“, erklärte Ratzmann. 

   

Mächtig sauer sind die Eltern auch, dass Sozialassistenten ab sofort gar nicht mehr benötigt werden. „Viele haben einen großen Erfahrungsschatz und leisten hervorragende Arbeit – das kann man doch nicht mit einem Fingerstreich wegwischen. Für die muss es Möglichkeiten geben, ganz schnell und unbürokratisch weiterhin an verantwortlicher Stelle zu arbeiten“, forderte eine Mutter und erhielt viel Zustimmung. 

   

Im Anschluss an die Informationsveranstaltung traf man sich vor der Kirche zum informellen Gespräch, es wurden Kontakte ausgetauscht um sich schnellstmöglich zu organisieren.  

   

Zum Hintergrund: 

In Wilhelmshaven gibt es 37 Kindertagesstätten, 13 davon haben eine konfessionelle Ausrichtung, diese Einrichtungen bieten 1280 Plätze. Die Stadt selber unterhält keine Einrichtungen, alle Kindertagesstätten sind in freier Trägerschaft. Die Finanzierung erfolgt durch Beiträge und durch die Stadt. 

   

In den kirchlichen Kindertagesstätten tritt zurzeit noch jede Gemeinde als selbstständiger Arbeitgeber auf, für das kommende Jahr ist für die evangelisch-lutherische Kirche die Bildung eines Trägerverbundes vorgesehen, somit sind dann diese Kindertagesstätten unter dem Dach eines Arbeitsgebers gebündelt. Man verspricht sich davon unter anderem, dass attraktive Springerstellen geschaffen werden können, die dann nicht nur mit wenigen Stunden ausgestattet werden sondern als Vollzeitstellen geführt werden können. Das könnte Entlastung schaffen, wird aber bei weitem nicht ausreichen.

   

Ein Beitrag von Annette Kellin