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Heute, am ersten Juni ist der Weltbauerntag. Er wurde im Jahr 2000 in enger Verbindung mit der Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover erstmals ausgerichtet und dann ab 2002 von der UNO bzw. der UNESCO weltweit ausgerufen. 

   

Hauptaufgabe der Bäuer*innen ist seit eh und je die Erzeugung von Agrarprodukten, wie Nahrungsmitteln pflanzlicher und tierischer Herkunft, daneben heute häufig auch Erzeugung von nachwachsenden Rohstoffen und Lieferung von Energie (z. B. Rapsöl, Biogas). Dazu gehört mittlerweile auch Management und Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes und der schonende Umgang mit den natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser, Luft sowie die Beachtung der ökologischen Zusammenhänge und des Tierschutzes. Ein anspruchsvoller Beruf mit hoher Verantwortung für das Leben, für die Schöpfung Gottes!

   

Als Pfarrerin denke ich an die Bäuer*innen bzw. Landwirt*innen eher in der Zeit rund um Erntedank oder wenn es um Bewahrung der Schöpfung und das Anlegen von Blühstreifen geht oder wenn sie mir mit Treckerdemonstrationen den Weg vom Büro nach Hause versperren oder in der Erinnerung, als es in meiner ersten Pfarrstelle in der Wesermarsch um die Milchquote auf den verpachteten Ländereien der Kirchengemeinde ging.

   

Ich habe selbst als Kind auf dem Land gelebt und habe viel Zeit auf Stoppelfeldern oder Rübenäckern verbracht, während meine Eltern beim Unkraut hacken oder Stroh einfahren geholfen haben. Ich habe mit den anderen Kindern Verstecken zwischen Strohballen gespielt und versucht, heimlich den Schweinestall zu durchqueren, ohne dass die Schweine aufgeschreckt einen ohrenbetäubenden Lärm veranstalteten.

Mein Bild von der Landwirtschaft ist also geprägt worden in der Zeit als Kind der 1960/70er Jahre und als Pfarrerin in einer Landgemeinde noch einmal überarbeitet worden in den 1990er Jahren. Ansonsten leben wir, die Bäuer*innen und ich, zwar in derselben Welt, aber doch in ganz unterschiedlichen Hemisphären. Wobei ich ohne sie gar nicht leben könnte, sie ohne mich im Grunde aber schon. Ich denke nicht häufig an sie und wenn, meist unreflektiert kritisch, was sie zu Recht veranlasst, mir mit dem Trecker den Weg zu verstellen, um auf ihre Belange aufmerksam zu machen. Aber seit einiger Zeit spuken die Bäuer*innen mir ganz ohne ihr Zutun immer häufiger im Kopf herum.

   

Das liegt an Yuval Noah Harari und seiner kurzen Geschichte der Menschheit, die ich mit zahlreichen Unterbrechungen seit sieben Stunden höre und noch weitere zehn Stunden beim Essenkochen, Unkraut jäten oder auf langen Autofahrten als Hörbuch hören werde. Zum Inhalt des Buches in aller Kürze: Harari, Professor für Militär- und Weltgeschichte, beginnt Eine kurze Geschichte der Menschheit damit, wie der Homo sapiens sich gegen seine menschliche Konkurrenz behauptete und den Planeten eroberte. Und er schließt mit der Perspektive darauf, wohin unsere Reise in Zeiten der Gentechnik führen wird. Harari unterteilt die Geschichte der Menschheit dabei ein in vier Revolutionen. Die zweite Revolution ist die landwirtschaftliche Revolution, in der der Homo sapiens sesshaft wurde. In diesem Zusammenhang erläutert Harari sehr anschaulich und unterhaltsam seine Theorie, dass letztlich nicht der Mensch den Weizen domestiziert hat, sondern dass der Mensch vom anspruchsvollen, empfindlichen, fordernden Weizen domestiziert wurde und unterdrückt wird.

   

Die modernen Bäuer*innen als Sklav*innen ihres Produktes! Da ist sicher viel Wahres dran. Ich würde gern darüber mit Bäuer*innen ins Gespräch kommen, nicht zuletzt auf dem Hintergrund des Wortes aus dem 104.    

Psalm: 

Es wartet alles auf dich, 

dass du ihnen Speise gebest zu deiner Zeit.

Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie;

Wenn du deine Hand auftust,

so werden sie mit Gutem gesättigt.

   

Hier wird deutlich: Ein gutes Leben braucht eine Balance zwischen Selbsttätigwerden und Geschehenlassen aus Gottvertrauen heraus. Eine gesunde Lebensgrundeinstellung nicht nur für die Bäuer*innen, sondern für uns alle. Bleibt nur noch die Rolle des herrschsüchtigen Weizens zu klären und wie man sich vom Joch seiner Unterdrückung befreien kann im Sinne von: Wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gutem gesättigt.

   

Pfarrerin Kerstin Hochartz, Leiterin der Arbeitsstelle für Religionspädagogik