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Die Arbeitsbedingungen in Großschlachthöfen sollen verbessert werden. Dafür geht die Bundesregierung gegen das Geschäftsmodell von Subunternehmen vor.

 

Berlin/Hannover (epd). Nach massiven Corona-Ausbrüchen in Großschlachthöfen nimmt die Bundesregierung die Subunternehmen in der Fleischindustrie ins Visier. Das Kabinett beschloss am Mittwoch in Berlin einen Gesetzentwurf, der sogenannte Werkverträge und Leiharbeit verbietet, die in Fleischfabriken weit verbreitet sind.

 

Schlachthofbetreiber sollen künftig selbst für alle Beschäftigten im Kerngeschäft verantwortlich sein: also jene, die Tiere schlachten, zerlegen und das Fleisch verarbeiten. Die Firmen müssten sich dann auch geltende Vorschriften einhalten zum Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Mindestlöhne und Mindeststandards, die beim Einsatz von Subunternehmern oftmals umgangen werden.

 

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, mit dem Gesetz werde «die organisierte Verantwortungslosigkeit» in der Fleischindustrie beendet. Neben dem Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit sind mehr Kontrollen in den Betrieben geplant und strengere Vorschriften für die Unterkünfte. Damit zieht die Regierung Konsequenzen aus den Corona-Ausbrüchen in der Schlachterei Tönnies in Nordrhein-Westfalen und weiteren Fleischbetrieben auch in Niedersachsen. Betroffen waren vor allem Arbeiter aus Rumänien und Bulgarien, die bei Subunternehmern angestellt waren.

 

In der Fleischindustrie arbeiten rund 100.000 Beschäftigte. Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) arbeiten zwei Drittel bei Subunternehmen, die über Werkverträge als Dienstleister vor allem für die sechs größten, marktbeherrschenden Unternehmen tätig sind. In einzelnen Großschlachthöfen werden bis zu 150.000 Schweine pro Woche geschlachtet. Deutschland ist nach den USA und Brasilien der drittgrößte Fleischexporteur weltweit. Seit der Jahrtausendwende hat die Branche ihren Umsatz verdoppelt.

 

Im Gesetzentwurf ist von einem «Zustand zahlreicher und systematischer Rechtsverstöße» in der Branche die Rede. So hätten zum Beispiel Kontrollen bei 30 Großbetrieben und 17.000 Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr rund 8.800 Rechtsverstöße ergeben. Manche Beschäftigte hätten 16 Stunden am Tag gearbeitet. Vielfach habe es an technischem Arbeitsschutz gefehlt. In Arbeitnehmerunterkünften sei Schimmelpilz und Ungeziefer gefunden worden, einige seien einsturzgefährdet gewesen oder hätten undichte Dächer.

 

Steigende Fleischpreise, wie von der Branche vorhergesagt, erwartet Heil durch die neuen Vorschriften nicht. Dies sei ein «hohles Lobbyargument», betonte er und verwies auf Gewinnmargen in Milliardenhöhe. Als «Quatsch» wies er Kritik zurück, wonach das Regelwerk gegen Europarecht und die deutsche Verfassung verstoße. Die Bundesregierung habe «sauber gearbeitet».

 

Eine konsequente Umsetzung der Pläne forderte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Der stellvertretende NGG-Bundesvorsitzende Freddy Adjan sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch), er erwarte, dass der Kabinettsbeschluss «ohne Abstriche vom Bundestag beschlossen und Gesetz wird». Die Novelle sei «ein wichtiger Schritt, um die schamlose Ausbeutung von zumeist osteuropäischen Beschäftigten und die teilweise menschenverachtenden Wohnverhältnisse zu beenden».

 

Der CDU-Wirtschaftsrat lehnt den Gesetzentwurf ab. «Werkverträge sind eine entscheidende Säule unserer arbeitsteiligen Wirtschaft, die nicht leichtfertig abgeschafft werden sollte», sagte die Präsidentin des Wirtschaftsrates, Astrid Hamker, der «Bild»-Zeitung (Mittwoch).

Bundestag und Bundesrat müssen dem Gesetz noch zustimmen.