Hannover (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, hat vor einem neuen Nationalismus in Europa gewarnt. Die Entwicklungen in Polen und Ungarn, aber auch der Erfolg des Front National in Frankreich machten ihm Sorge, sagte Bedford-Strohm dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das «Friedensprojekt Europa» sei wichtiger als je zuvor. Die EKD hat ihren Sitz in Hannover.
Bedford-Strohm erinnerte daran, dass Nationalismus Europa in den Untergang geführt habe. Nach zwei Weltkriegen sei die Erkenntnis gewachsen, dass nur Versöhnung allen Menschen in Europa diene. «Für diese historische Errungenschaft müssen wir werben» sagte der bayerische Bischof. Er setze darauf, dass auch in den anderen Ländern Europas diese Friedensidee wieder gestärkt werde.
Der EKD-Ratsvorsitzende forderte die Partei «Alternative für Deutschland» auf, sich von extremistischen Positionen zu distanzieren. «Mit rechtsradikalen Parolen, die eben auch aus Demonstrationen der AfD heraus geäußert werden, ist eine rote Linie überschritten», sagte Bedford-Strohm.
Angesichts rechtsgerichteter Proteste wie bei den Kundgebungen der «Pegida»-Bewegung mahnte der EKD-Ratsvorsitzende zu Wachsamkeit. «Worte können als Gift in die Gesellschaft gestreut werden», sagte der Theologe. Dies sei der Fall, wenn Politiker als «Volksverräter» bezeichnet werden oder Journalisten als «Lügenpresse». Demokratie lebe vom sachlichen Streit der Argumente und nicht von der emotionalen Aufladung mit Parolen. Über die Integration von Flüchtlingen oder soziale Gerechtigkeit müsse auf Grundlage der Werte des Grundgesetzes diskutiert werden.
Der Ratsvorsitzende verwies auf eine aktuelle EKD-Studie, nach der die größte Sorge der Deutschen das Erstarken des Rechtsradikalismus sei und nicht die Sorge vor Fremden. «Die Studie zeigt auch, dass Menschen, die selbst Flüchtlinge kennengelernt haben, sich weniger sorgen», sagte Bedford-Strohm. Es gehöre zur Verantwortung der Kirche, Gespräche in Gang zu bringen: «Wer in das Gesicht eines Menschen in Not schaut, der fragt nicht nach dessen Glauben, sondern der lässt sich davon anrühren», sagte der höchste Repräsentant der rund 23 Millionen Protestanten in Deutschland.
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