Bergen-Belsen/Bremen (epd). Die Zahl der Besucher in den NS-Gedenkstätten in Niedersachsen und Bremen ist im vergangenen Jahr wieder deutlich angestiegen. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Einrichtungen ergab, besuchten 2023 mehr Menschen Gedenkstätten, die an die Verbrechen und Opfer des Nationalsozialismus erinnern, als im Vorjahr, in dem es zumindest in den ersten Monaten noch Corona-Beschränkungen gab. Dabei wurde teilweise wieder das Niveau der Besucherzahlen aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 erreicht. Zudem berichteten einige Gedenkstätten von einer Zunahme antisemitischer Übergriffe seit dem Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel am 7. Oktober.
So verzeichnete die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen bei Celle seit Oktober vermehrt israelfeindliche Kommentare in ihrem Gästebuch und den sozialen Medien. «Seit dem Überfall der Hamas kamen Schmierereien nahezu täglich vor», sagte Sprecherin Stephanie Billib. Dabei handle es sich unter anderem um Solidaritätsbekundungen mit der palästinensischen Bevölkerung oder Äußerungen gegen Israel.
Nach dem Überfall der Hamas sei die Gedenkstätte vermehrt im Austausch mit der Polizei, dabei sei eine punktuell höhere Polizeipräsenz sei vereinbart worden. Bereits im August habe die Polizei infolge von Fensterwürfen auf das Gebäude der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten mehr Präsenz gezeigt.
Auf dem Gelände der Gedenkstätte Ahlem in Hannover gab es 2023 gleich drei Vorfälle mit extremistisch politischem Hintergrund, wie Frauke Bittner von der Region Hannover sagte. Es seien Kränze zerstört worden, und es habe Schmierereien und Sticker mit nationalsozialistischen und antisemitischen Parolen gegeben. Ende Oktober seien Sticker mit Parolen wie «Befreie dich vom Schult-Kult» und «Israel mordet und die Welt schaut zu» im Eingangsbereich, den Ausstellungsflächen im Außengelände und an der Fassade der Gedenkstätte gefunden worden. Alle Vorfälle seien zur Anzeige gebracht worden.
Die Besucherzahlen der Gedenkstätten zogen im vergangenen Jahr wieder spürbar an. In Bergen-Belsen lagen sie 2023 nach Hochrechnungen der Gedenkstätte bei rund 215.000 Menschen. Im Vorjahr waren es nach vorherigen Einbrüchen wegen der Corona-Pandemie rund 195.000 Menschen. In Bergen-Belsen starben mehr als 52.000 KZ-Häftlinge und rund 20.000 Kriegsgefangene, unter ihnen das jüdische Mädchen Anne Frank, deren Tagebuch weltbekannt wurde.
Die Gedenkstätte Esterwegen, die auf dem Gelände des früheren Konzentrationslagers an die Opfer von insgesamt 15 Lagern im Emsland erinnert, verzeichnete 2023 rund 23.000 Besucherinnen und Besucher. Davon waren rund 8.440 Schülerinnen und Schüler aus knapp 370 Schulklassen, wie die Sprecherin des Landkreises Emsland, Anja Rohde, sagte. 2022 wurden rund 19.000 Gäste gezählt
Den Gedenkort Bunker «Valentin» in Bremen besichtigten 2023 rund 31.000 Menschen im Vergleich zu 24.000 im Jahr 2022, wie der wissenschaftliche Leiter Marcus Meyer sagte. Der von Tausenden Zwangsarbeitern errichtete Bunker erinnert an den Rüstungswahn des NS-Regimes und die nationalsozialistischen Pläne zur Vernichtung durch Arbeit.
Bei der Gedenkstätte Ahlem sorgte nach Angaben der Region Hannover ein mehrtägiges Kulturfestival 2023 für einen Besucherzuwachs auf rund 19.000 Gäste. 2022 waren es noch rund 12.000 Menschen, die in die Gedenkstätte kamen. In den Räumen der heutigen Gedenkstätte richteten die Nationalsozialisten 1941 eine Sammelstelle für Juden ein, die in die Vernichtungslager in Osteuropa deportiert werden sollten. Davor befand sich hier eine «Israelitische Gartenbauschule».
In der Gedenkstätte Lager Sandbostel bei Rotenburg/Wümme pendelten sich die Besucherzahlen wieder auf dem Vor-Corona-Niveau ein. Dort kamen zwischen 11.500 und 12.500 Menschen, wie Leiter Andreas Ehresmann bilanzierte. 2022 waren es noch rund 9.000. Extremistische Vorfälle hat es dort im vergangenen Jahr nicht gegeben. In Sandbostel hatten die Nazis ein Kriegsgefangenenlager eingerichtet, in dem bis zur Befreiung durch britische Soldaten am 29. April 1945 mehrere Hunderttausend Gefangene aus vielen Ländern interniert waren. Tausende starben an Hunger und Krankheiten.