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Missbrauch? Passiert nur woanders - diesen Irrtum kritisiert die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, scharf. Sie fordert zum Hinschauen und Handeln auf.

Bremen (epd). Der Umgang mit sexualisierter Gewalt ist der Bundesbeauftragten gegen Missbrauch, Kerstin Claus, zufolge häufig von mangelnder Handlungskompetenz geprägt. «Es wird nach wie vor zu wenig hingeschaut und Täterstrategien werden vielfach nicht wahrgenommen», sagte Claus dem Bremer «Weser Kurier» (Sonnabend). Immer noch herrsche eine Haltung vor, die zwar den Missbrauch in Kirche, im Sport oder Internet wahrnehme, aber im eigenen Umfeld ausschließe und dies gefährde Kinder und Jugendliche täglich.

Niemand müsse Kinderschutzexperte sein, um hinzuschauen, zuzuhören oder nachzufragen, betonte Claus. «Es geht um eine Grundhaltung.» Wenn Verwandten, Nachbarn, Lehrkräften oder Erziehern Veränderungen an den Kindern auffielen, ihrer Art sich zu kleiden oder den Umgang mit Gefühlen, sollten sie genauer hinsehen und das Gespräch suchen.

Nicht in jedem Fall bedeute eine Veränderung, dass sexueller Missbrauch geschehe, sagte Claus. «Viele Betroffene erzählen, dass sie immer wieder versucht haben, Unterstützung zu finden und deutliche Signale ausgesendet haben, aber ihnen nicht zugehört wurde.» Dafür brauche es kein enges Vertrauensverhältnis, sondern es reiche aus, sich ansprechbar zu zeigen.

An Schulen sei das Thema bislang ebenfalls nicht ausreichend verankert, kritisierte die Politikerin. In Mecklenburg-Vorpommern gebe es bereits ein verpflichtendes Modul in der Ausbildung von Pädagogen. «Das ist ein wichtiges Signal, und ich finde, alle anderen Bundesländer sollten diesem Beispiel folgen.»

Jeder sollte außerdem wissen, wo er sich beraten lassen könne, betonte Claus. Auch die Nummer des bundesweiten Hilfetelefons 0800/2255530 könne einfach in jedem Telefon abgespeichert werden. Claus zufolge leben in Deutschland etwa zehn Millionen Menschen, die in Kindheit und Jugend strafrechtlich relevante sexuelle Gewalt erlebt haben. Im Jahr 2024 wurden 16.300 Fälle ermittelt, das Dunkelfeld sei groß.