Hannover (epd). Deutschlands größte liberale jüdische Gemeinde in Hannover feiert am Donnerstag (5. November) ihr 20-jähriges Bestehen. Bei einem Festakt am Abend in der Synagoge «Etz Chaim» (Baum des Lebens) sprechen unter anderem der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sowie Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD). Erwartet werden rund 450 geladene Gäste.
Zu der 1995 gegründeten Gemeinde gehören heute rund 800 Mitglieder aus 17 Nationen. «Wir sind zu einer großen Familie zusammengewachsen, obwohl wir aus so vielen Ländern stammen», sagte Sozialarbeiterin Alla Volodarska am Mittwoch dem epd: «Ich freue mich, dass Einwanderer so gut integriert werden konnten.» Nach ihren Angaben kommen viele Mitglieder aus den Ländern der früheren Sowjetunion, aber auch aus England, Argentinien, Rumänien oder Südafrika.
«Wir wachsen langsam, aber stetig», sagte Volodarska. Viele jüdische Familien zögen aus anderen Städten zum Arbeiten oder Studieren nach Hannover. «Es kommen junge Leute.» Deshalb würden die Kinder- und Jugendgruppen der Gemeinde, aber auch die gemeindeeigene Kindertagesstätte gut angenommen.
Sorgen bereitet der Gemeinde allerdings die zunehmende Judenfeindlichkeit in Deutschland. Manche Gemeindemitglieder trauten sich inzwischen aus Angst vor Übergriffen abends nicht auf die Straße, berichtete Volodarska. Jüdischer Schmuck wie eine Kette mit dem Davidsstern werde inzwischen nicht mehr so offen getragen.
Viele Zuwanderer, die jetzt nach Deutschland kämen, stammten aus muslimischen Ländern, in denen Juden als Feinde betrachtet würden, sagte die Sozialarbeiterin. «Wir waren selber Flüchtlinge, wir haben Mitleid mit den Familien», betonte sie. Es sei aber naiv, die judenfeindlichen und antisemitischen Strömungen wegzudiskutieren.
Die liberale jüdische Gemeinde in Hannover war vor 20 Jahren mit 79 Mitgliedern aus der orthodox ausgerichteten Jüdischen Gemeinde Hannover heraus gegründet worden. 2009 weihte sie in einer umgebauten evangelischen Kirche ihr Gemeindezentrum «Etz Chaim» ein, zu dem unter anderem eine Synagoge, eine Bibliothek, ein Jugendzentrum, eine Beratungsstelle und die Kindertagesstätte gehören. Es ist die größte liberale Synagoge in Deutschland.
Bundesweit gibt es 25 liberale jüdische Gemeinden. Ihr Kennzeichen ist die völlige Gleichberechtigung der Frau in allen religiösen Belangen im Unterschied zum orthodoxen Judentum. Insgesamt leben in Deutschland rund 200.000 Juden. In Niedersachsen bestehen derzeit 20 jüdische Gemeinden, unter ihnen sieben liberale.