Hannover/Berlin (epd). Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, hat den Leitkultur-Beitrag von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) scharf kritisiert. «Gerade der Griff zu dem Wort 'Leitkultur' ist wenig geeignet, eine offene Debatte zu eröffnen», sagte Claussen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er halte von diesem Wort nichts. «Es ist nicht mit klaren Inhalten verbunden, sondern nur ein politisches Schlagwort, das den kulturellen Dominanzanspruch einer Partei formulieren soll», kritisierte der Theologe. Er finde es problematisch, «wenn Kultur in dieser Art und Weise funktionalisiert wird».
«Kultur ist ein Bereich von sich entfaltender Freiheit und sollte nicht in dieser Weise festgezurrt werden», sagte Claussen, der im Auftrag der EKD die Kulturarbeit der evangelischen Kirche koordiniert. Damit war Claussen auch beteiligt am vom Deutschen Kulturrat moderierten Dialog zur kulturellen Integration, in den viele zivilgesellschaftliche Akteuren und Institutionen, Religionsgemeinschaften und vier Bundesministerien eingebunden waren - auch das Bundesinnenministerium, wie Claussen betonte. Vor diesem Hintergrund habe er sich über den Beitrag von de Maizière geärgert, sagte Claussen.
Die dort erarbeiteten 15 Thesen zur kulturellen Integration sollen ihm zufolge am 16. Mai der Öffentlichkeit vorgestellt und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übergeben werden. «Vorher ist eine Diskussion im Jüdischen Museum geplant, bei der Bundesinnenminister de Maizière eigentlich eine Rede halten sollte», sagte Claussen und ergänzte: «Ich finde ich es nicht nachvollziehbar und bedauerlich, dass er dem vorgreift, darauf nicht einmal Bezug nimmt und stattdessen eigene Thesen in der 'Bild'-Zeitung veröffentlicht.»
Er sehe in der Formulierung von de Maizières Thesen vor allem eine Aktivität für den Wahlkampf. «Wir wollen aber eine inhaltliche Debatte führen, die nicht von Wahlkampfinteressen geprägt ist», sagte Claussen. Er störte sich auch am Ton des Beitrags: «Von einem wertkonservativen Politiker, der für die Kulturnation Deutschland einsteht, erwarte ich auch eine angemessene Sprache.» Er finde in seinen Thesen «einige Anbiederungen an den Jargon des Boulevards», sagte der Kulturbeauftragte und verwies auf die Formulierung «Wir sind nicht Burka».
Dies sei sprachlich so verunglückt, «dass damit auch eine Haltung transportiert wird, die ich nicht akzeptieren kann», sagte Claussen. «Damit bekommt dieser Thesen-Katalog gleich von Beginn an eine Schärfe und Polarisierung, die für die Debatte nicht hilfreich ist.»
Zustimmung erhält der Innenminister dagegen für seine These zur Rolle der Religion in der Gesellschaft. Das Grundmodell, dass Religion auch in den öffentlichen Raum hineingehöre und sich kulturell betätigen solle, bleibe richtig, sagte er und ergänzte: «Ich finde es gut, dass auch der Bundesinnenminister das so sieht.»