Zehntausende Christinnen und Christen haben am Mittwochabend, 24. Mai, im Herzen von Berlin den Auftakt des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentags im Jahr des 500. Reformationsjubiläums gefeiert. Nach Veranstalterangaben strömten rund 200.000 Menschen zum traditionellen „Abend der Begegnung“ mit Open-Air-Konzerten rund ums Brandenburger Tor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die an diesem Donnerstag mit dem früheren US-Präsidenten Barack Obama diskutieren wird, ermunterte die Kirchen, sich weiter in politische Debatten einzumischen. Die Großveranstaltung im Jahr des 500. Reformationsjubiläums steht auch unter dem Eindruck des jüngsten Terroranschlags in Manchester und findet unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt.
Insgesamt 70.000 Menschen nahmen nach Angaben der Veranstalter an den drei Eröffnungsgottesdiensten teil, bei denen in den Fürbitten der Opfer von Manchester gedacht wurde. Die mehr als 106.000 Dauerteilnehmenden und geschätzte 38.000 Tagesgäste müssen erstmals bei einem Kirchentag mit Taschenkontrollen rechnen. Veranstalter und Sicherheitsbehörden betonten, nach dem Anschlag sei das Sicherheitskonzept noch einmal überprüft worden.
Bischof Dröge wünscht sich Kirchentag „mit weitem Blick und offenem Herzen“
Der Berliner Bischof Markus Dröge rief im Eröffnungsgottesdienst dazu auf, anderen Menschen vorurteilsfrei und mit unverstelltem Blick zu begegnen. Der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag öffne und weite den Blick – „für die Zeit, in der wir leben, und die Menschen, mit denen wir leben“. Die Gläubigen sollten die Großveranstaltung „mutig und vertrauensvoll, mit weitem Blick und offenem Herzen“ angehen.
Der historische Kirchentag, der ein Höhepunkt im Festjahr zu 500 Jahren Reformation ist, endet am Sonntag mit einem Abschlussgottesdienst in Wittenberg. 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) dort seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, was als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation gilt.
Bundeskanzlerin Merkel ermuntert Kirchen zur Einmischung
Bundeskanzlerin Merkel sagte bei einem Empfang anlässlich des Kirchentags, das Evangelium sei zwar kein Regierungsprogramm. Dennoch sei es besser, die Kirchen mischten sich ein, als dass sie sich zurückhielten. Dabei dürfe nur die christliche Botschaft nicht zu kurz kommen. Vor allem CSU-Politiker hatten in der jüngeren Vergangenheit den Kirchen vorgeworfen, sich zu sehr in politische Debatten einzumischen.
Im Eröffnungsgottesdienst am Brandenburger Tor kritisierte Bischof Fredrick Onael Shoo aus Tansania den westlichen Lebensstil. „Teilt euren Reichtum!“, forderte er. Den Westen rief er dazu auf, Afrika faire Wirtschaftsbeziehungen anzubieten und sich mehr um Flüchtlinge zu kümmern. Shoo forderte zudem mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel.
Auf dem Programm des Kirchentags unter der biblischen Losung „Du siehst mich“ stehen knapp 2.500 Veranstaltungen. Viel diskutiert wurde die Einladung an die AfD-Vertreterin Anette Schultner. Bischof Dröge, der mit der Politikerin von der Vereinigung „Christen in der AfD“ auf dem Podium sitzen wird, verteidigte die Veranstaltung mit Hinweis darauf, dass der Kirchentag ein „Brückenschlag in die Gesellschaft“ sei.
Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au nannte die Folgen weltweiter Konflikte und die Zukunft Europas als Kernthemen. So klar wie lange nicht mehr stehe aktuell vor Augen, wofür Christinnen und Christen einstehen müssten, so die Schweizer Theologin.
Land Niedersachsen und Kirchen feiern Kirchentagseröffnung
Meister und Wenzel fordern Bekämpfung von Fluchtursachen
Beim Abend der Begegnung des Ev. Kirchentags in Berlin am Mittwochabend, 24. Mai, haben das Land Niedersachsen und die evangelischen Kirchen in Niedersachsen gemeinsam Kirchentagsauftakt in der Niedersächsischen Landesvertretung am Potsdamer Platz gefeiert. Die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg war vertreten durch Bischof Jan Janssen und Mitarbeitende des Bischofsbüros (Pfarrer Thomas Adomeit und Birgit Carmona Schneider).
Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat beim Abend der Begegnung in der Niedersächsischen Landesvertretung die nachhaltige Bekämpfung der weltweiten Ursachen von Flucht und Vertreibung gefordert. „Bis jetzt haben wir in Europa darauf nicht mal ansatzweise eine Antwort gefunden“, sagte er am Mittwochabend beim gemeinsamen Kirchentagsauftakt. Auch den Vereinten Nationen sei es bisher nicht gelungen, den Ursachen von Flucht und Vertreibung wirksam und nachhaltig zu begegnen.
Der stellvertretende niedersächsische Ministerpräsident Stefan Wenzel (Grüne) kritisierte mit Blick auf die Fluchtursachen auch US-Präsident Trump: „Was kann es für Folgen haben, wenn ein Präsident ein Waffengeschäft über 110 Milliarden Euro mit einem Land wie Saudi-Arabien abschließt?“ Hoffnungen mache ihm dagegen der Weltklimavertrag, sagte der Umweltminister. Er leiste einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Landflucht. „Da ist für mich deutlich, dass die Menschheit gelernt hat, dass wir große Probleme nur gemeinsam lösen können. Es braucht einen Zusammenhalt hier bei uns und auch weltweit.“
Außerdem würdigten Meister und Wenzel die Arbeit des Bündnisses „Niedersachsen packt an“. Das Land will hier bis Ende 2018 knapp 30 Millionen Euro in die haupt- und ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit investieren. Am Anfang habe der Gedanke gestanden, dass Menschen in Not Hilfe und Aufnahme finden müssten, sagte Landesbischof Meister.
„Dafür stehen wir als Kirchen und dafür steht das Land Niedersachsen.“ Der Minister verwies auf die beispiellose Unterstützung von Ehrenamtlichen bei der Integration der geflüchteten Menschen. „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir im gegenseitigen Dialog angehen müssen.“
Ein Beitrag des Evangelischen Pressedienstes (epd).
Weitere Informationen zum Kirchentag finden Sie unter: www.kirchentag.de
Eine Zusammenstellung der Kirchentags-Angebote mit oldenburgischer Beteiligung finden Sie hier: www.kirche-oldenburg.de/themen/bildung/kirchentag/oldenburger-beteiligung-auf-dem-kirchentag.html