Hannover/Bielefeld (epd). Das harte Vorgehen des türkischen Präsidenten Erdogan gegen Regimegegner versetzt nach Angaben des evangelischen Pfarrers Gerhard Duncker auch die Christen in der Türkei zunehmend in Sorge. Ohnehin machten Christen dort nur noch 0,1 Prozent der Bevölkerung aus, sagte Duncker in einem Interview in der neuesten Ausgabe der "Evangelischen Zeitung", die am Wochenende in Hannover und Hamburg erschienenen ist. Viele der orthodoxen Christen gingen jetzt aus Angst nach Griechenland oder in die USA, wo sie bereits Verwandte hätten.
Diejenigen, die noch blieben, verhielten sich sehr vorsichtig, berichtete der ehemalige Pfarrer der Evangelischen Gemeinde deutscher Sprache in der Türkei: "Das fängt schon mit Überlegungen an, ob beim Gemeindefest Bier ausgeschenkt werden kann. Bloß nicht auffallen - diese Devise gilt nach dem Putschversuch mehr denn je." Auch in den christlichen Auslandsgemeinden sinke die Zahl der Mitglieder. Es sei fraglich, ob sich in Zukunft überhaupt noch Pfarrer für diese Arbeit finden ließen.
Duncker warnte zudem vor einem unkritischen Umgang mit dem deutschen Islamverband Ditib. Dessen Gemeinden "sind zu 100 Prozent abhängig von der türkischen Religionsbehörde Diyanet". Selbst die Freitagspredigten würden von der Behörde beeinflusst.
Dennoch sei es wichtig, die Gespräche und Brücken nicht abzubrechen, betonte Duncker. Der Theologe ist derzeit bei der Evangelischen Kirche von Westfalen für den christlich-islamischen Dialog zuständig. "Allerdings sollten wir unseren muslimischen Partnern auch ganz deutlich sagen, was uns ängstigt. Zu einem ehrlichen christlichen-islamischen Dialog gehört auch der selbstkritische Umgang beider Seiten mit ihrer Religion."