Hannover (epd). Das geplante Betreuungsgeld stößt bei Experten weiter auf Kritik. Nach Auffassung der Bremer Vorschulexpertin Ilse Wehrmann steht es für eine rückwärtsgewandte Arbeitsmarkt-, Familien- und Frauenpolitik. «Es sagt viel aus über den Stellenwert von Frauen in unserer Gesellschaft», kritisierte Wehrmann am Montag in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). «Den Standpunkt, dass Frauen zu Hause bleiben sollen, haben wir offensichtlich immer noch nicht überwunden.»
Der Diakonie-Erziehungsexperte Bernd Heimberg hält die bisher geplanten Sätze für viel zu gering und lehnt deshalb das Betreuungsgeld ab. Er glaube nicht, dass sich eine gut ausgebildete Mutter mit 100 bis 150 Euro im Monat von ihrem gut bezahlten Arbeitsplatz weglocken lasse, sagte der Bereichsleiter Kinder, Jugend und Bildung im Diakonischen Werk der hannoverschen Landeskirche am Montag im epd-Gespräch.
Wehrmann kritisierte als ehemalige Vorsitzende der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder das Betreuungsgeld als «Kindergartenverhinderungsprämie», das vor allem den Nachwuchs aus prekären Familienverhältnissen von Bildung fernhalte.
Sie bezeichnete die Debatte um die «Herdprämie» als Scheingefecht. «Wir brauchen doch in erster Linie mehr Betreuung, um Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen zu können.» Es fehlten noch immer etwa 450.000 Krippenplätze, um die bis Mitte 2013 verabredete Ausbauquote von bundesweit 35 Prozent erreichen zu können.
Auch Heimberg warb für den Ausbau von Kinderkrippen für unter Dreijährige. Die Diskussion um das Betreuungsgeld gehe am Kern der Sache vorbei, sagte er. Sehr wohl sei nämlich eine finanzielle Anerkennung der elterlichen Erziehungsleistung notwendig. Sie müssten jedoch über ein Gehalt entlohnt werden, das sich an dem von Erzieherinnen orientiere und Rentenansprüche einschließe.
Das würde berücksichtigen, dass auch nach dem Grundgesetz die Erziehung der Kinder in der Verantwortung der Eltern liege. Sie hätten zu entscheiden, ob und wann sie Kinder in eine Betreuungseinrichtung schickten. Unbestreitbare Probleme in manchen Familien könnten nicht dadurch gelöst werden, dass die Kinder möglichst früh außerhalb erzogen würden.
Das geplante Betreuungsgeld soll an Eltern ausgezahlt werden, die ihr Kleinkind nicht in eine öffentlich geförderte Kindertagesstätte schicken. Ab Mitte 2013 sollen sie zunächst 100 Euro für einjährige Kinder und ab 2014 dann 150 Euro im Monat für ihre ein- und zweijährigen Kinder bekommen.