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Vor zwei Jahren eröffnete Niedersachsen in Bad Sachsa eine neue Notunterkunft für Flüchtlinge. Bewohnerinnen kritisieren in einem Offenen Brief Eingriffe in ihre Privatsphäre. Die Landesaufnahmebehörde weist die Vorwürfe zurück.

Bad Sachsa/Kr. Göttingen (epd). Bewohnerinnen einer Flüchtlingsunterkunft in Bad Sachsa am Südharz beklagen Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit und massive Eingriffe in ihre Privatsphäre durch Polizisten und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes. «Wir werden behandelt, als wären wir im Gefängnis», heißt es in einem am Montag vom Göttinger Arbeitskreis Asyl bekannt gemachten Offenen Brief der «Frauen aus Bad Sachsa». Die Landesaufnahmebehörde (LAB) Niedersachsen wies die Vorwürfe zurück.

Es sei «alarmierend, wenn die Polizei mitten in der Nacht ohne zu klopfen oder uns Zeit zum Öffnen der Tür zu lassen in unsere Zimmer kommt», schreiben die Verfasserinnen des Offenen Briefes. «Die Polizisten gehen manchmal einfach in unsere Zimmer, während wir unsere Kleidung wechseln.» Wenn die Polizei eine Person, die abgeschoben werden solle, nicht finden könne, durchsuche sie alle Wohnräume in der Unterkunft: «Das ist für uns anstrengend und belastend, da wir alle unsere eigenen Sorgen und Probleme haben.»

Auf der dritten Etage der Unterkunft, wo ausschließlich Frauen wohnen, sei die Situation noch beunruhigender: «Jeden Tag weckt uns das Sicherheitspersonal um 22 Uhr, manchmal auch später, was unsere Schlafgewohnheiten erheblich stört.» Die Security-Mitarbeiter klopften sehr laut an den Türen. «Und wenn man nicht rechtzeitig öffnet, betreten sie unsere Zimmer, auch wenn wir nackt sind», heißt es in dem Offenen Brief weiter.

LAB-Sprecherin Nina Jahnen sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), bei Rückführungen seien die zu ergreifenden Maßnahmen Sache der Polizei und der Verwaltungsvollzugskräfte. «Im Rahmen dessen ist das Betreten von Zimmern oft notwendig und erfolgt innerhalb des gesetzlichen Handlungsspielraumes.»

Auch sei die Unterkunft an besondere Brandschutzvorgaben gebunden. Der Sicherheitsdienst sei deshalb angewiesen, jeden Abend um 22 Uhr die Anwesenheit abzufragen. Die Kontrollen dienten zum Schutz der Bewohnenden. Dabei sei die Security angehalten, an der Zimmertür zu klopfen und einen angemessenen Zeitraum abzuwarten, bis die Tür geöffnet werde.

Weitere in dem Offenen Brief erhobene Beschwerden betreffen die Verpflegung. «Das Essen ist wirklich schlecht und abgestanden und oft vom Vortag», heißt es. «Wenn wir nicht pünktlich kommen, finden wir kein Essen mehr.» Die Reste von Mahlzeiten dürften nicht mitgenommen werden, um sie später zu verzehren. «Wir müssen sie in den Mülleimern entsorgen, und die Sicherheitsleute sorgen dafür, dass wir das tun.» Die allgemeine Atmosphäre im Lager schildern die Frauen als «sehr schlecht». Die Sicherheitskräfte seien unfreundlich. Kinder dürften nicht spielen. Stattdessen würden sie vom Sicherheitspersonal angeschrien.

LAB-Sprecherin Jahnen entgegnete, in allen Unterkünften des Landes würden «die religiösen oder gesundheitlichen Bedürfnisse bei der Nahrungsmittelversorgung unserer Bewohnenden berücksichtigt». Es gebe spezielle Nahrung für Babys und für Diabetes-Patienten - «insofern wir darüber Kenntnis haben». Auch bestünden keine Spielverbote für Kinder. Es gebe eine tägliche Kinderbetreuung, einen Spielplatz und eine große Rasenfläche. Innerhalb des Gebäudes achte das Sicherheitspersonal aber darauf, dass Kinder nicht unbeaufsichtigt durch die Flure tobten. Die Hinweise erfolgten «freundlich, aber bestimmt».

Die Notunterkunft in Bad Sachsa wurde vor zwei Jahren in den Räumen einer ehemaligen Kurklinik und eines Nebengebäudes eröffnet. Am Montag waren dort laut LAB 198 Geflüchtete aus sechs Ländern untergebracht, darunter 76 Kinder. Flüchtlinge und ihre Unterstützer haben für Dienstag zu einer Demonstration vor der Unterkunft aufgerufen.