Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag - in keinem anderen Monat gibt es so viele offizielle Gedenktage für Verstorbene wie im November. Anlass für Supermärkte und Floristen, mit Grabgestecken wie mit Blumen zum Muttertag zu werben.
Hannover (epd). Viele Gebinde aus Tannen und Trockenblumen sehen so trist aus wie ein, nun ja, Friedhof im November: Die Bäume sind kahl, nichts blüht, welkes Laub bedeckt die Gräber. Wer hier der Toten gedenkt, findet besonders zu dieser Jahreszeit kaum einen Lichtblick in einem Moment von Trauer. Jasmin Laudenbach möchte das ändern.
Die 28-Jährige hat bei der diesjährigen deutschen Meisterschaft junger Friedhofsgärtner in Hannover den zweiten Platz belegt. Sie ist bei einer Gärtnerei in der Region Hannover angestellt. Täglich ist Jasmin Laudenbach auf unterschiedlichen Friedhöfen im Stadtgebiet unterwegs. Sie pflegt und gestaltet Gräber. Dabei empfindet sie ihren Job alles andere als trostlos oder gar morbid. Im Gegenteil: «Ich liebe meine Arbeit, weil sie kreativ, naturverbunden und sinnstiftend ist», sagt die junge Frau, die aus Garbsen bei Hannover kommt.
Laudenbach versteht ihre Tätigkeit als Friedhofsgärtnerin nicht nur als Dienst an den Verstorbenen, die eine würdige, gepflegte Ruhestätte haben sollen. «Ich möchte dazu beitragen, dass Friedhöfe keine traurigen Orte sind, sondern grüne Oasen für die Lebenden», sagt Laudenbach. Ihr Wunsch sei es, dass Friedhöfe weniger als traurige oder unheimliche Orte wahrgenommen werden, sondern eher als Parks, die zum Innehalten einladen. «Gerade in Städten mit viel Lärm, Verkehr und wenig Grün.»
An diesem Morgen auf einem Friedhof am Stadtrand Hannovers strahlt der Novemberhimmel ausnahmsweise blau. Das Laub auf den Wegen leuchtet golden. Hier und da blüht noch zaghaft eine Rose. Auf vielen Gräbern ist jedoch schon Wintersaison: Man sieht grüne Teppiche aus Bodendeckern. Dass es auch anders geht, zeigt Jasmin Laudenbach am Beispiel ausgewählter Ruhestätten: Da lugen zwischen verblühter Kriechmispel pinkfarbene Alpenveilchen und zwischen Wolfsmilch und Farn rosafarbene Purpurglöckchen hervor. Violette Winterheide sorgt ebenso für einen Blickfang wie Stechpalmen mit ihren roten Beeren.
Die Trauerkultur ist im Wandel. Das zeigt sich auch an der Gestaltung von Gräbern. Das klassische Grab ist ein Auslaufmodell, weil die Sargbestattungen immer weiter zurückgehen: Dem Bundesverband Deutscher Bestatter zufolge liegt der Anteil der Urnenbestattungen bundesweit heute bei rund 80 Prozent. 1990 waren im Bereich der evangelischen Landeskirche Hannover rund 89 Prozent aller Beisetzungen Sargbestattungen, wie ein Sprecher mitteilt. Aktuell machten die Urnenbestattungen im Einzugsgebiet, zu dem gut 900 Friedhöfe zählen, 80 Prozent aus - mit weiter steigender Tendenz. Den Grund dafür sieht die hannoversche Landeskirche in einer zunehmend mobileren Gesellschaft.
Hinzu kommt der gestiegene Wunsch nach Beisetzungen auf See oder in Friedwäldern. Veränderter Platzbedarf und neue Bestattungsformen verändern auch das Bild von Friedhöfen: Es entstehen vermehrt Rasengräber oder Möglichkeiten zur Baumbestattung. Blühwiesen halten Einzug, es gibt mehr Raum für heimische Sträucher und Bäume. Aus Sicht der evangelischen Landeskirche bietet diese Entwicklung auch eine Chance: Friedhöfe würden auf diese Weise verstärkt zu Begegnungsorten. Die Bepflanzung von Sarg- und Urnengräbern soll häufig möglichst «pflegeleicht» sein. Das ist nach Ansicht von Jasmin Laudenbach keineswegs gleichbedeutend mit lieblos oder langweilig.
Ihr Tipp für wenig Aufwand lautet: klimaresistente Staudenbepflanzung. Stauden sind nachhaltig, denn sie können das ganze Jahr über stehen bleiben. Außerdem gibt es langsam wachsende Sorten und solche, die sich auch den veränderten klimatischen Bedingungen gut anpassen und mit längeren Trockenperioden auskommen. Als Beispiel nennt Laudenbach die Fetthenne, die im Sommer in verschiedenen Nuancen von Rot und Rosé blüht. Auch das wintergrüne Purpurglöckchen zählt zu den Stauden. Ebenso wie Storchschnabel und Katzenminze. Zur Familie der Stauden gehören außerdem Gräser wie das Lampenputzergras, das ebenso elegant wie dekorativ ist. Üppig blühende Blumen wie die Hortensie haben es dagegen eher schwer. Sie braucht viel Wasser. Doch die Rispenhortensie kommt auch mit Trockenheit gut zurecht. Ihre im Winter verdorrten Blütenköpfe schützen die Pflanze vor Frost - und sind auch in diesem Stadium der Vergänglichkeit ein schöner Anblick.
Schönheit steht für Jasmin Laudenbach bei der Gestaltung von Gräbern an erster Stelle. Auch, wenn die Bepflanzung praktisch sein soll, ist es für sie vor allem die Ästhetik, die zählt. Die könne man auch erreichen, indem man klassische Bodendecker wie Efeu und Immergrün oder die friedhofstypischen Eisbegonien und Stiefmütterchen ornamental in Halbkreisen oder auch in diagonal verlaufenden Reihen anordne, erläutert die Expertin. Das funktioniere auch gut mit Tannenzweigen während der Wintermonate. Auch Arrangements von Moosarten mit abgestorbenen Baumwurzeln seien ein Hingucker, sagt Laudenbach. Sie ist überzeugt: «Wenn etwas schön aussieht, dann kann der Anblick auch Trost spenden.»