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Vor fast 20 Jahren endete in Delmenhorst die vermutlich größte Mordserie in Nachkriegsdeutschland. Aus Geltungssucht tötete ein Krankenpfleger wehrlose Patienten. Knapp fünf Jahre nach seiner Verurteilung erinnert nun ein Gedenkort an die Opfer.

 

Delmenhorst (epd). In der Mitte zwischen zwei Friedhöfen, einem Park und einem Schotterparkplatz der Großbaustelle des Delmenhorster Delme-Klinikums ist eine etwa zwei mal fünf Meter große Fläche mit ein paar immergrünen Pflanzen und Stroh bedeckt. Im Zentrum steht ein etwa einen halben Meter hoher Granit-Findling mit einer Plakette. Sie erinnert an eine beispiellose Mordserie durch einen Krankenpfleger in den Jahren 2003 bis 2005. Der Mann vergiftete wahllos hilflose Patienten - nur um sie dann zu reanimieren und von den Kollegen als Held gefeiert zu werden.

Auf der Plakette steht: «Aus ihrem und unserem Leben gerissen... In öffentlichem Gedenken an die vielen schutzlosen Patienten, die ein Krankenpfleger im städtischen Klinikum Delmenhorst in den Jahren 2003 bis 2005 ermordet hat, sowie den schwer verletzten Überlebenden. Wir werden Euch und das, was hier passiert ist, nie vergessen und immer daran erinnern!» Ein QR-Code darunter führt zu einer Internetadresse mit den Hintergründen. Der Name des Täters fehlt auf dem Stein.

Mit der neuen Gedenkstätte sei er zufrieden, sagt Christian Marbach. Der Sprecher der Hinterblieben hat seinen Großvater an den früheren Krankenpfleger verloren. Seit vielen Jahren kämpft er für die Hinterbliebenen und das Gedenken an die Opfer. Der Ort unmittelbar neben dem Klinikum und den Friedhöfen sei weise gewählt. «Viele Angehörige können auch heute noch nicht wieder in das Krankenhaus gehen. Darum wäre ein Gedenkort in dem Klinikum keine gute Wahl.» Der Standort des Findlings schaffe eine emotionale Nähe zum Tatort und habe doch genug Abstand für das Gedenken. «Er ist ein starkes Symbol.»

Der frühere Krankenpfleger Niels Högel hatte zwischen 1999 und 2005 im damaligen Delmenhorster Krankenhaus und im Klinikum Oldenburg gearbeitet und gemordet. Am 6. Juni 2019 wurde er vom Oldenburger Landgericht wegen insgesamt 85 Morden in den beiden Häusern zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Dunkelziffer seiner Taten dürfte viel höher liegen.

Wie unvorstellbar seine Taten sind, machte zum Abschluss des Prozesses der Vorsitzende Richter, Sebastian Bührmann, bei der Urteilsverkündung mit den Worten deutlich: «Herr Högel, Ihre Schuld ist unumfassbar.» Und doch sei es richtig, Högels Namen auszusprechen, sagt Marbach heute: «Nur so können wir ihn entzaubern und zeigen, dass er eben nicht so groß und mächtig ist, wie er erscheint.»

Delmenhorsts Oberbürgermeisterin Petra Gerlach (CDU) dankte Marbach für sein Engagement. «Wir stehen in der Verantwortung», sagte sie bei der Enthüllung der Gedenkstätte. «Wir müssen dafür sorgen, dass sich solche Geschehnisse nicht wiederholen.»

Der Weg zu einem angemessenen Gedenkort in Delmenhorst sei lang und weit gewesen, resümiert Marbach. «Ich habe gelernt, dass Gedenken Zeit braucht.» Schwer enttäuscht sei er jedoch vom Oldenburger Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) und den heute Verantwortlichen im Klinikum Oldenburg. Dort gebe es zwar sogar eine Kommission, die seit Jahren darüber nachdenke, wie an die Klinikmorde erinnert werden kann. «Aber passiert ist dort bisher rein gar nichts», sagt Marbach verbittert.