Hannover/Leipzig (epd). Die Direktorin des Deutschen Karikaturen-Museums, Gisela Vetter-Liebenow, hat in der Debatte um die Mohammed-Karikaturen des französischen Satire-Magazins «Charlie Hebdo» davor gewarnt, aus falscher Rücksichtnahme die Meinungs- und Pressefreiheit einzuschränken. Sie finde es problematisch, wenn Satiriker und Karikaturisten jeweils die Tabus anderer Kulturkreise bedenken sollten, sagte Vetter-Liebenow am Donnerstag in Hannover dem epd.
«Wo fängt diese Rücksichtnahme an und wo hört sie auf?» Dann müsse man die gesamte mediale Berichterstattung auf den Prüfstand stellen, betonte die Direktorin des «Museums Wilhelm Busch Deutsches Museum für Karikatur & Zeichenkunst». «Dürfen Zeitungen dann demnächst auch nicht mehr über die Emanzipation der Frauen berichten?»
Vetter-Liebenow räumte ein, dass eine Beleidigung aus reiner Lust an der Beleidigung nicht gut sei: «Karikaturen wollen immer auf Missstände und Ungerechtigkeiten aufmerksam machen. Das müssen auch Religionen und Religionsvertreter aushalten.» Wenn Zeichner einen gewaltbereiten Islam darstellten, dann sei das religionskritisch, aber nicht religionsfeindlich. Auch die katholische Kirche habe im Zuge der Missbrauchsdebatte Hohn und Spott über sich ergehen lassen müssen.
Der Medienwissenschaftler Michael Haller forderte dagegen eine medienethische Diskussion über die Grenzen von Karikatur und Satire. In den Überlegungen zur Abschaffung des Blasphemie-Paragrafen 166 im Strafgesetzbuch zeige sich ein westlicher, auf das Individuum zentrierter Freiheitsbegriff, sagte der emeritierte Leipziger Journalistikprofessor in einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (Donnerstagausgabe). In einer globalisierten Welt müsse aber jede Kultur auch Rücksicht nehmen auf die Empfindlichkeiten anderer, sagte Haller: «Schließlich hat jeder Kulturraum Tabuzonen und No-go-Areas, auch der Westen.»
Kalkulierte Tabu-Verletzungen sind nach Hallers Worten zwar legitim und auch vom deutschen Recht gedeckt: «Man muss aber jedes Mal abwägen, ob sie in einem verantwortbaren Verhältnis zu ihren absehbaren Folgen steht.» Die Menschenwürde und das friedliche Zusammenleben seien die höchsten Güter.