Susanne Bei der Wieden steht künftig an der Spitze der Evangelisch-reformierten Kirche. Am 4. September wird sie mit einem Gottesdienst feierlich eingeführt.
Leer (epd). Fast wäre Susanne Bei der Wieden Kirchenmusikerin geworden, doch dann war die Liebe zur Theologie doch stärker. Nun rückt die 54-jährige promovierte Pfarrerin in ein theologisches Leitungsamt: Am 4. September um 14 Uhr wird sie mit einem Gottesdienst in der Großen Kirche in Leer als neue Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche eingeführt.
Sie steht damit künftig an der Spitze einer Kirche mit rund
168.500 Mitgliedern in 143 Gemeinden zwischen Ostfriesland und dem Allgäu. Sie alle sind dem reformierten Bekenntnis verpflichtet, das sich an den Schweizer Reformatoren Ulrich Zwingli (1484-1531) und Johannes Calvin (1509-1564) orientiert - diese rein reformierte Prägung hat bundesweit nur diese Landeskirche.
Bei der Wieden, bisher Pfarrerin in Frankfurt am Main, ist die erste Frau im Amt der Kirchenpräsidentin. Und sie freut sich auf diese Aufgabe: «Kirche braucht Leidenschaft und Diskutierfreudigkeit», sagt sie. «So ist die reformierte Kirche, und so bin ich auch.» Die Theologin war im März von der reformierten Gesamtsynode in das Leitungsamt gewählt worden. Sie ist Nachfolgerin von Martin Heimbucher, der Ende Juli in den Ruhestand ging.
Die Kirche müsse nahe an den Menschen sein, betont Bei der Wieden, die verheiratet ist und eine Tochter hat. Dabei reicht es ihr nicht, nur ein netter Akteur im Quartier unter anderen zu sein: «Wir müssen erkennbar sein und uns fragen, was unser Auftrag ist und welche Werte der Bibel dabei wichtig sind.» Aktuelle Themen, zu denen die Kirche gefragt sei, gebe es genug: «Das beginnt beim Klimawandel und der wachsenden Armut in der Gesellschaft. Wie gehen wir mit Geflüchteten um und wie stehen wir als Friedensbotschafter zu autonomen Waffen?»
Bei der Wieden warnt davor, kirchliches Handeln zu sehr von der Mitgliederentwicklung bestimmen zu lassen. «Eine kleine Kirche mit einer klaren Botschaft kann stärker sein als eine Vereinskirche mit vielen Mitgliedern.» Die kirchliche Botschaft dürfe nicht zu «glatt» sein und müsse auch mal provozieren.
Beeindruckend findet die Theologin die starke Eigenständigkeit der reformierten Gemeinden. Darin sieht sie ein Alleinstellungsmerkmal. Die theologischen Unterschiede zwischen den christlichen Konfessionen seien Laien zwar kaum noch vermittelbar. Von den Menschen werde jedoch wahrgenommen, dass die reformierten Gemeinden viel stärker von ihren Mitgliedern getragen werden.
Dieses deutliche Profil ermögliche auch den Austausch und die Zusammenarbeit in der Ökumene, betont Bei der Wieden. In Frankfurt war sie maßgeblich am Aufbau der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen beteiligt. Wichtig sind ihr auch das christlich-muslimische Gespräch und die Zusammenarbeit mit den jüdischen Gemeinden.
Die gebürtige Darmstädterin studierte Theologie in Wuppertal und Göttingen. Ihre theologische Laufbahn begann sie als Vikarin in Kinzenbach bei Gießen. 1997 erhielt sie ihren Doktortitel für eine Arbeit über die Predigten des Reformators Martin Luther (1483-1546). Von 1999 bis 2003 war sie am Reformierten Seminar für pastorale Aus- und Fortbildung in Wuppertal tätig, wo sie Vikarinnen und Vikare begleitete, bevor sie ihre Pfarrstelle in Frankfurt antrat.
Als Freundin der Kirchenmusik freue sie sich schon auf die reiche ostfriesische Orgelkultur, sagt die künftige Kirchenpräsidentin, die selbst Cello spielt. Auch wenn sie schon lange nicht mehr selbst auf der Orgelbank gesessen habe, so liebe sie doch diese Instrumente.