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Kirchenasyl in der Kritik: Die Bundesregierung fährt eine Breitseite gegen Flüchtlinge, die in Gotteshäusern Schutz suchen. Minister de Maizière wirft den Kirchen Rechtsbruch vor. Diese wehren sich gegen die verschärfte Haltung der Behörden.

Hamburg/Hildesheim (epd). Die Diskussion über Menschen im Kirchenasyl nimmt an Schärfe zu. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wandte sich laut einem Medienbericht «prinzipiell und fundamental» gegen das Verhalten der Kirchen. Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche kritisierte hingegen erneut die Einschätzung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), wonach die Betroffenen «flüchtig» seien. Damit bleibt den Behörden mehr Zeit, sie in die EU-Ersteinreiseländer abzuschieben. Die Zahl der Kirchenasyle war im vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen.

De Maizière sagte laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel», er habe als Christ zwar Verständnis, dass die Kirchen «in Einzelfällen» unter dem Gesichtspunkt des Erbarmens Flüchtlinge aufnähmen. Doch es gehe nicht, dass sie sich eigenmächtig über bestehende Gesetze hinwegsetzten. Der Minister äußerte sich dem «Spiegel» zufolge bei einem Treffen der CDU-Spitze mit führenden katholischen Bischöfen am Dienstag in Berlin. Dabei bezeichnete der Migrationsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Norbert Trelle aus Hildesheim, das Kirchenasyl als «Ultima Ratio».

Der kirchlichen Arbeitsgemeinschaft sind gegenwärtig 200 Fälle von Kirchenasyl mit mindestens 359 Personen bekannt, darunter sind 109 Kinder. Im Jahr 2013 gab es bundesweit erst 79 Fälle. Beim Kirchenasyl handelt es sich um eine zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Es beruht zumeist auf einer stillen Übereinkunft zwischen Kirche und Staat. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte sich im November in Dresden ausdrücklich hinter die Gemeinden gestellt, die Kirchenasyl gewähren.

Hintergrund der Auseinandersetzung sind die umstrittenen Dublin-III-Bestimmungen der Europäischen Union. Im Kirchenasyl befinden sich zumeist Menschen, die über ein anderes EU-Land nach Deutschland eingereist sind. Sie dürfen nur im Herkunftsland, nicht aber in der Bundesrepublik Asyl beantragen - es sei denn, die Überstellungsfrist von sechs Monaten wird überschritten. Werden die Betroffenen als «flüchtig» eingestuft, wie es das Migrations-Bundesamt seit kurzem tut, verlängert sich die Frist auf
18 Monate.

Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Dietlind Jochims, erklärte in Berlin, der Aufenthaltsort von Menschen im Kirchenasyl sei den Behörden bekannt. «Wir sind überzeugt, dass auch Gerichte in diesem Sinne entscheiden werden.» Aus zahlreichen Berichten gehe hervor, dass Geflüchtete nicht überall in der EU menschenwürdig behandelt würden. Es komme regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen.
So hätten Abschiebungen Familientrennungen, Obdachlosigkeit und Kettenabschiebungen zur Folge, ergänzte die Vorsitzende. Zudem werde die besondere Schutzwürdigkeit von Traumatisierten, Kranken und Kindern nicht ausreichend berücksichtigt.