Das Aus für das Betreuungsgeld findet in Niedersachsen vielfach Zustimmung. Landes- und Kommunalpolitiker regten zugleich an, das frei werdende Geld in den Ausbau der Kindertagesstätten zu stecken.
Hannover (epd). Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Betreuungsgeld stößt in Niedersachsen vielfach auf Zustimmung. Das Gericht habe die richtigen Weichen gestellt und eine bildungspolitisch «völlig verfehlte Maßnahme» beendet, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Dienstag in Hannover. Auch die Grünen im Landtag, die Diakonie sowie Kommunal- und Unternehmerverbände begrüßten die Karlsruher Entscheidung. Die CDU bedauerte sie dagegen.
Das Verfassungsgericht hatte entschieden, das Betreuungsgeld sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Zuständig für ein solches Angebot seien die Länder. Dem Bundesgesetzgeber fehle dafür die Gesetzgebungskompetenz, heißt es in dem einstimmig gefällten Urteil.
Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) betonte, das dem Betreuungsgeld zugrundeliegende Familienbild sei ein familien- und gleichstellungspolitischer Rückschritt. Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) forderte, die für das Betreuungsgeld vorgesehenen Finanzmittel unverzüglich den Ländern zuzuweisen. Niedersachsen werde dann das Geld zur Qualitätsverbesserung in der frühkindlichen Bildung nutzen.
Die frauenpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Petra Joumaah, bedauerte dagegen die Karlsruher Entscheidung: «Den Eltern geht damit ein Stück Wahlfreiheit bei der Betreuung ihrer Kinder verloren.»
Vertreter der Kommunen zeigten sich erfreut. Mit den frei werdenden Bundesmitteln sollten die Krippen und Kitas in den Kommunen finanziell entlastet werden, regte der Lüneburger Oberbürgermeister und Präsident des Niedersächsischen Städtetages, Ulrich Mädge, an.
«Das gilt für Investitionen, aber auch für die laufenden Betriebskosten», sagte der SPD-Politiker: «Außerdem könnten auch die Elternbeiträge gesenkt werden.» Der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Marco Trips, sieht in der Abschaffung des Betreuungsgeldes neue Chancen, mehr für die Kinder bildungsferner Familien und von Migranten zu tun.
Diakonie-Chef Christoph Künkel sagte: «Studien haben belegt, dass das Betreuungsgeld gerade eine Förderung für Kinder aus sozial schwächeren Familien verhindert.» Zudem zeigten Erfahrungen, dass Mütter durch die Geldzahlungen zunehmend auf ihren Beruf verzichteten. Der Betrag von 150 Euro im Monat sei außerdem zu niedrig gewesen. Das Betreuungsgeld entspreche nicht einmal einem Euro Stundenlohn. «Wenn schon Betreuungsgeld, dann müsste es sich an einem ordentlichen Gehalt mit Rentenansprüchen orientieren.»
Auch der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen, Volker Müller, verwies darauf, dass zu 95 Prozent Frauen das Betreuungsgeld bezögen. Dies führe dazu, dass sie nach der Geburt eines Kindes länger vom Arbeitsplatz fern blieben und in der Folge Nachteile bei Karriere und Einkommen in Kauf nehmen müssten.
Bisher erhielten Eltern seit August 2013 pro Kind monatlich 150 Euro, wenn ihr Kind nicht in einer staatlich unterstützten Kindertagesstätte oder in einer Tagespflege betreut wurde. Die Eltern konnten die staatliche Leistung vom ersten Tag des 15. Lebensmonats des Kindes bis zum Ende des 36. Lebensmonats beanspruchen.