Mit einem feierlichen Gottesdienst ist am Dienstagabend die Zwölfte Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in der namibischen Hauptstadt Windhuk zu Ende gegangen. Die siebentägige Tagung vom 10. bis 16. Mai stand unter dem Motto „Befreit durch Gottes Gnade“. Zum Programm gehörten Referate zu den Themen „Schöpfung – für Geld nicht zu haben“, „Menschen – für Geld nicht zu haben“ und „Erlösung – für Geld nicht zu haben“. An der Vollversammlung der weltweiten Gemeinschaft von 145 lutherischen Kirchen in 98 Ländern weltweit, denen mehr als 74 Millionen Christinnen und Christen angehören, nahmen mehr als 800 Menschen teil, darunter mehr als 300 Delegierte.
Zu den Beschlüssen gehört auch eine Öffentliche Erklärung zur Versöhnung im Zusammenhang mit dem Völkermord in Namibia. „Das Schicksal der Herero, Nama und anderer Ureinwohner unter deutscher Kolonialherrschaft am Anfang des 20. Jahrhunderts bereitet den Völkern Namibias und Deutschlands bis heute Schmerzen“, so die Erklärung. „Es ermutigt uns zu wissen, dass die Regierungen Namibias und Deutschlands diesen Schmerz aufgegriffen haben und einem Prozess verpflichtet sind, in dem die Wahrheit gesagt und Gerechtigkeit getan werden wird.“
Im Rahmen des Abschlussgottesdienstes wurden auch der Nigerianischer Erzbischof Dr. Musa Panti Filibus als neu gewählter LWB-Präsident und die auf der Vollversammlung gewählten neuen Ratsmitglieder in ihr Amt eingeführt.
Weitere Erklärungen und Informationen zur Botschaft der Vollversammlung finden Sie unter: www.lwfassembly.org/de
Fazit der oldenburgischen Delegierten
Zu den Delegierten der Vollversammlung gehörten auch Pfarrerin Nele Schomakers aus Delmenhorst (St. Stephanus) und Pfarrer Thomas Adomeit aus Oldenburg. Sie waren nach Namibia gereist, um die oldenburgische Kirche bei der Vollversammlung zu vertreten.
Was nehmen Delegierte und Besucher der Zwölften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) für die eigene Arbeit mit nach Hause. Zum Abschluss der Vollversammlung haben Pfarrerin Nele Schomakers und Pfarrer Thomas Adomeit ihre Eindrücke formuliert.
Klarer Impuls zur Versöhnung
Nach anfänglichen Befürchtungen, die Erklärung des Lutherischen Weltbundes „zur Versöhnung im Zusammenhang mit dem Völkermord in Namibia“ hätte als „unberechtigte Einmischung verstanden werden können“, zeigte sich Pfarrer Thomas Adomeit nach der Verabschiedung der Resolution zufrieden. Adomeit hofft, dass „die Resolution zur Versöhnung zwischen Deutschen und den Herero, Nama und anderen indigenen Gruppen beitragen kann“.
Thomas Adomeit betonte kurz vor dem Abschluss der Vollversammlung am 17. Mai in der namibischen Hauptstadt Windhuk, „dass die Resolution nach meinem Eindruck und nach meinen Gesprächen hier, nicht kontraproduktiv ist“. Er lobte, dass der LWB vorsichtig formuliert habe. „Wir haben hier versucht, einen klaren Impuls zu geben für die Versöhnung“, so Adomeit.
Beeindruckt zeigte er sich von der spirituellen Vielfältigkeit der Vollversammlung. Dies habe sich „in den musikalischen Erfahrungen, den Farben, den Gottesdiensten und Andachten gezeigt“.
Den befreienden Geist spüren
Pfarrerin Nele Schomakers aus Delmenhorst spürt „eine tiefe Dankbarkeit, Teil dieser weltweiten lutherischen Gemeinschaft zu sein, im Arbeiten und Beten“. Die Pastorin zog zum Abschluss der LWB-Vollversammlung eine durchweg positive Bilanz. „Den Geist der Verbundenheit, den ich hier spüre, nehme ich mit und ich hoffe, dass ich ihn weitertragen kann“, betonte sie.
Besonders hat die junge Theologin Anstöße aus Gesprächen unter dem Motto „Schöpfung – nicht für Geld zu haben“ aufgenommen. Zu dem Thema gab es auch einen von drei Grundsatzvorträgen, der sie ebenfalls ermutigt hat, das von der oldenburgischen Kirche angestoßene Projekt „Zukunft einkaufen“ sowohl „als Gemeinde und im Persönlichen zu übernehmen“. Schomakers nimmt auch einen Perspektivwechsel mit. Nicht beim Negativen stehenbleiben, sondern fragen, „was wir besser machen können“, sagt sie. Das fange im Kleinen an und ziehe dann Kreise. Was sie daheim auch zum Ausdruck bringen will, „ist das Gefühl, stolz darauf sein zu können, Lutheranerin zu sein und den befreienden Geist zu spüren“.
Bewegende Feier zum Reformationsjubiläum im namibischen Windhuk
„Ein feste Burg ist unser Gott“, spielt der Posaunenchor, als das Kreuz ins Sam-Nujoma-Stadion im Windhuker Township Katutura getragen wird. Unter der gleißenden Sonne Namibias haben sich mehrere tausend Menschen versammelt, um gemeinsam einen Gottesdienst zu feiern. Da ist die Pfarrrerin aus Malawi, die in einem über und über mit Lutherrosen bedruckten Kleid lautstark mitsingt, als der namibische Chor das „Esimanoly Kalunga“, das Gloria auf Oshiwambo, anstimmt. Da ist die Bischöfin aus Island, die zum schwarzen Minikleid ein Collar, den weißen Priesterkragen, trägt. Und da sind Nele Schomakers und Thomas Adomeit, die Delegierten der oldenburgischen Landeskirche bei der Vollversammlung des LWB.
Unter einer großen Zeltplane haben sie auf schwarzen Plastikstühlen Platz genommen, um das Reformationsjubiläum mitzufeiern. Eine Helferin teilt Wasserflaschen aus, aus einem Karton wird den Delegierten ein Käsebrot gereicht. Vier Stunden dauert der Gottesdienst im Sam-Nujoma-Stadion, da tut eine Stärkung gut. „Schon die Herfahrt war ja spannend“, sagt Nele Schomakers. Weil der namibische Staatspräsident Hage Geingob das Stadion besuchte, wurden die Delegierten an ihrem Hotel durchsucht. „Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben mit Polizeieskorte in den Gottesdienst gefahren.“
Im Gottesdienst predigt der ehemalige namibische Bischof und heutige Minister für Armutsbekämpfung Dr. Zephania Kameeta. „Wir treffen uns heute in einer schwierigen, unvorhersagbaren und gefährlichen Zeit der Menschheitsgeschichte“, sagte Kameeta. „Wir fürchten, dass ein dritter Weltkrieg jederzeit ausbrechen könnte.“ Die Menschen bräuchten heute, dass „Gott durch seine Gnade alle unsere Frevel tilgt und in unserer Welt reine Herzen voll Liebe, Gerechtigkeit und Frieden“ schaffe.
Einst war es der LWB, der die namibische Befreiungsbewegung SWAPO maßgeblich in ihrem Kampf gegen die Apartheid und für die Unabhängigkeit Namibias unterstützte. Und auch Kameeta berichtet in seiner Predigt vom Schicksal afrikanischer Kirchenleiter berichtet, die wegen ihres Kampfes gegen die Apartheid deportiert wurden. „Aber Gottes Gnade konnte nicht deportiert werden“, sagt Kameeta. „Rassismus, Tribalismus, das Kastenwesen, das sind Sünden.“
Bei den oldenburgischen Delegierten stößt die Predigt des Namibiers nicht auf ungeteilte Zustimmung. „Das war meiner Meinung nach eher eine politische Rede, und keine Predigt“, so Schomakers. „Da habe ich anderes erwartet.“ Thomas Adomeit indes sieht das anders: „Mich hat der Gottesdienst an vielen Stellen angesprochen – die Mischung aus Kinderchor, Orchester, die farbenfrohe Buntheit im Stadion – aber auch die Predigt, auch als Predigt.“ Was mit den Fragen zusammenhing, die der afrikanische Bischof zum Ende seiner Predigt stellte: „Namibia ist befreit, von was wollt Ihr befreit werden? Europa ist befreit, von was wollt Ihr befreit werden? – Da hat Kameeta gefragt, was wir eigentlich damit meinen, wenn wir davon sprechen, befreit zu werden“, sagte Adomeit. „Das sind nämlich teilweise unsere eigene Enge und unsere eigenen Zwänge, die uns daran hindern, frei zu sein. Das fand ich ganz großartig.“ Dieser Akzent sei schon ein Stück der Schlussbotschaft der Vollversammlung gewesen.
Hier finden Sie weitere Informationen zur Zwölften LWB-Vollversammlung. www.lwfassembly.org/de