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Bad Nenndorf/Kr. Schaumburg (epd). Mehr als 1.100 Menschen haben am Sonnabend in Bad Nenndorf friedlich gegen einen Aufmarsch von rund 600 Rechtsextremisten aus ganz Deutschland protestiert. Insgesamt waren mehr als 1.000 Polizisten im Einsatz. Die Demonstration verlief nach Angaben der Polizei von Sonntag störungsfrei und problemlos. Es seien 121 Platzverweise ausgesprochen worden, acht Teilnehmer seien in Gewahrsam genommen worden.

   Etwa 130 Rechtsradikalen sei die Teilnahme am Aufmarsch verboten worden. Sie hätten sich einer polizeilichen Überprüfung verweigert.
Insgesamt seien zehn Beamte verletzt worden. Die Polizei bedankte sich bei den Nenndorfer Bürgern für die Unterstützung. «Auch für erfahrene Einsatzkräfte war es überraschend, unerwartet ein Eis oder erfrischendes Getränk zu bekommen», sagte ein Polizeisprecher.

   Die Neonazis hatten zum vierten Mal zu einem «Trauermarsch» zum Wincklerbad aufgerufen. In dem Gebäude, das heute von der Kurverwaltung genutzt wird, befand sich von 1945 bis 1947 ein britisches Militärgefängnis für Nazis. Dort sollen Gefangene auch gefoltert worden sein. Diese Misshandlungen sind dem DGB zufolge damals umgehend geahndet und von der Öffentlichkeit in Großbritannien verurteilt worden. Die Rechtsradikalen wollen den Ort jetzt zu einer Art Wallfahrtsstätte machen. Mittlerweile haben sie bis 2030 Märsche zum Wincklerbad angemeldet.

   In Bad Nenndorf hatte sich bereits im Vorfeld ein breites Bündnis «Bad Nenndorf ist bunt» aus mehr als 20 lokalen Einrichtungen, Vereinen, Parteien, Institutionen und Kirchen gebildet, um sich dagegen zu wehren, dass der Ort zu einem Sammlungspunkt der rechten Szene wird. Viele Straßen des Kurbades bei Hannover waren mit Luftballons bunt geschmückt, die Demonstranten zogen mit Musik und Trillerpfeifen durch die Kleinstadt.

   Der DGB-Regionsvorsitzende Sebastian Wertmüller forderte bei der zentralen Kundgebung ein schnelles und entschiedenes Handeln, wann immer sich Rechtsextremisten versammelten. Er verlangte eine bessere Aufklärungsarbeit gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus in Niedersachsen: «Das sind wir den Ausländerinnen und Ausländern, den Jüdinnen und Juden, den Andersdenkenden in unserem Land schuldig.»

   Bereits am Samstagmorgen hatten sich rund 300 Menschen zu einem evangelischen «Gottesdienst für Menschlichkeit und Toleranz» im Kurpark versammelt, an dem sich auch die örtliche Jüdische Gemeinde beteiligte. Gemeindepastor Jürgen Schönwitz sagte in seiner Predigt, es gebe kein Recht auf Rassismus und Faschismus, weder vor Gott noch vor den Menschen. Da komme alle Toleranz an ihre Grenzen: «In diesem Ort, in diesem Land, in dieser Welt ist kein Platz für Rechtsextremismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit.»

   Auch der Schaumburger Superintendent Andreas Kühne-Glaser rief dazu auf, Zeichen gegen den Rechtsextremismus zu setzen: «Jeder Aufmarsch von Menschen, die das Leben anderer missachten, ist auch eine Aufforderung an uns, zu zeigen, wie sehr wir das Leben aller Menschen achten und wertschätzen.» Der evangelische Theologe sagte, es sei den Einwohnern in einer bisher noch nie dagewesenen Weise gelungen, den Protest auf eine breite, demokratische Basis zu stellen.

   Rund 80 Gegendemonstranten hatten sich bereits am frühen Samstagmorgen vor dem Wincklerbad versammelt. Vier von ihnen hatten sich in einer Betonpyramide verankert. Sie hatten sich allerdings nicht, wie die Polizei zunächst vermutete, angekettet, sondern an den Händen gehalten. Bis zum Vormittag wurde der Beton aufgebohrt und das Gelände geräumt.