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Adipositas ist seit 2020 als chronische Erkrankung anerkannt. Dennoch werden Betroffene noch immer diskriminiert und nicht angemessen behandelt, kritisiert die Ärztin Elena Junghans.

Bremen (epd). Die Ärztin Elena Junghans fordert einen anderen gesellschaftlichen und politischen Umgang mit der Krankheit Adipositas. Betroffene hätten keine Lobby und würden diskriminiert, sagte die Ärztin im Bremer Krankenhaus Diako dem Bremer «Weserkurier» (Samstag). Ihnen werde häufig die Schuld für die Erkrankung zugeschrieben, und sie entwickelten selbst Schuldgefühle. «Das setzt einen Teufelskreis in Gang. Und wir als Gesellschaft - inbesondere auch die Politik - schauen einfach zu. Das ist Diskriminierung», betonte die Leiterin des zertifizierten Kompetenzzentrums für Adipositas- und metabolische Chirurgie.

Viele Faktoren, die Adipositas begünstigten und verlängerten, liegen laut Junghans außerhalb der willentlichen Kontrolle. Häufig seien mehrere Faktoren miteinander verknüpft, etwa eine hormonelle Störung und eine genetische Veranlagung. «Einmal entstanden, unterhält sich die Erkrankung selbst.»

Zudem werde Übergewicht durch das Angebot an hochverarbeiteten, billigen und kalorienreichen Lebensmitteln begünstigt. «Und nichts davon ist reguliert. Es wird zugeschaut, wie die Kinder übergewichtig werden, wie die Lebensmittelindustrie ihre Lobbyarbeit perfekt leistet», kritisierte die Medizinerin. Sie forderte nach dem Vorbild Englands die Einführung einer Zuckersteuer.

Zudem müssten auch medizinisch Tätige besser über die Krankheit aufgeklärt werden, forderte Junghans. Sie diskriminierten aus Unwissenheit oder Ignoranz häufig selbst die Patienten. Adipositas sei in Deutschland erst seit 2020 als chronische Krankheit anerkannt. Noch fehle allerdings ein Programm zur strukturierten Behandlung. Dabei gehe es neben Operationen vor allem auch um Therapiekonzepte zur Ernährungsumstellung, Verhaltenstherapien und Begleiterkrankungen. «Das heißt: Wir haben hier eine Erkrankung, die nicht behandelt wird - und das ist Teil der Stigmatisierung.»