Göttingen (epd). Mit dem Beschuss der kurdischen Enklave Afrin in Nordsyrien bricht die Türkei nach Ansicht von Menschenrechtlern «das Völkerrecht in schwerster Form». Es habe keinerlei Provokation seitens der Verwaltung in Afrin gegeben, sagte der Nahostexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido, am Freitag in Göttingen. Trotzdem nehme das türkische Militär seit der vergangenen Nacht verschiedene Ortschaften mit Artillerie und Raketenwerfern unter schweres Feuer.
Es gebe in Afrin bereits mindestens vier Tote und sieben Verletzte unter Zivilisten. Die Angaben seien sowohl von der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte als auch von Freunden und Gewährsleuten der Gesellschaft für bedrohte Völker vor Ort in Telefongesprächen bestätigt worden, sagte Sido, dessen Mutter und Geschwister auch in Afrin leben.
Die türkische Regierung rechtfertigt ihre Angriffe damit, dass syrisch-kurdische Milizen für den Anschlag am Mittwoch in Ankara verantwortlich seien. Die Kurden weisen die Vorwürfe jedoch strikt zurück. Kurdische Parteien und Milizen in Syrien hätten das Attentat vielmehr verurteilt und als «feigen Terroranschlag» bezeichnet, sagte Sido.
Der Menschenrechtsorganisation zufolge wird die Zivilbevölkerung in Afrin seit 2012 von radikalislamistischen Gruppen terrorisiert. Die türkische Regierung habe die Islamisten aber gewähren lassen. Doch jetzt greife das türkische Militär unmittelbar in den Kampf ein und terrorisiere seinerseits die Zivilbevölkerung. Obwohl viele Menschen in Afrin bleiben wollten, könnten sie durch den massiven Beschuss doch in die Flucht getrieben werden und versuchen, nach Europa zu gelangen.