Osnabrück/Köln (epd). In der Debatte um die Übergriffe auf Frauen an Silvester in Köln warnt der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer vor pauschalen Zuweisungen. "Wir haben offensichtlich grundsätzlich ein Problem in der bundesdeutschen Gesellschaft, was Sexismus und die Belästigung von Frauen angeht", sagte der Professor der Universität Osnabrück am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dies zeigten Berichte, die es nach Bekanntwerden der Ereignisse von Köln aus mehreren große Städten gegeben habe.
Obwohl offenbar auch Asylsuchende unter den Tätern in Köln gewesen seien, greife es zu kurz, etwa ausschließlich über das Frauenbild von Zuwanderern zu diskutieren. Die Flüchtlinge seien alles andere als eine homogene Gruppe. "Sie kommen aus sehr vielen verschiedenen Ländern, sehr unterschiedlichen Bildungshintergründen und sozialen Situationen", betonte Oltmer. "Es kann nicht davon gesprochen werden, dass religiöse Motive ein Frauenbild befördern, das Gewalt rechtfertigt."
Unter den Zuwanderern gebe es keine höhere Kriminalitätsrate als in der übrigen Bevölkerung, erläuterte Oltmer. "Allerdings haben junge Männer eine deutlich höhere Kriminalitätsrate als ältere oder Frauen." Mit Blick auf Köln forderte er deshalb generell mehr Sozialarbeit für junge Männer in Deutschland. Die Angebote seien in den vergangenen Jahren zurückgefahren worden, kritisierte er.
In die Integration müsse deutlich mehr investiert werden, betonte Oltmer. Dabei seien die 2005 eingeführten Integrationskurse ein guter Anknüpfungspunkt. Von ihnen gebe es aber noch viel zu wenige. "Bisher kommt kaum ein 2015 angekommener Flüchtling da hinein." Zudem müssten die Kurse dringend ausgewertet werden. "Wir müssen gucken, wie sie heute funktionieren und aussehen müssen."
Die Vermittlung von Werten und Normen könne nicht verordnet werden, sondern sei ein Prozess, sagte der Migrationsexperte. Dazu seien vor allem auch Begegnungen im Alltag wichtig. Zudem müsse immer wieder diskutiert werden, welche Werte die Gesellschaft eigentlich prägten. Die starke Zuwanderung im vergangenen Jahr habe viel in Bewegung gesetzt. "Die Diskussionen, die jetzt laufen, sind ganz zentral, weil das Thema Migration in der Bundesrepublik lange Zeit keine Bedeutung hatte - trotz großer Zuwanderung."
Manche Themen wie die Forderungen nach einem Verbot von Burka oder Vollverschleierung verdienten allerdings weniger Aufmerksamkeit. "Das ist ein so vernachlässigbares Phänomen, dass wir nicht darüber reden müssen", unterstrich Oltmer. "Solche Forderungen sind plakativ, aber nicht wirklich relevant."